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Deutschland wandert aus


Mit Kindern auswandernBild: JeverPic - Fotolia.com

Auswandern ist heute eine der liebsten Beschäftigungen der Deutschen. Was aber gilt es dabei zu berücksichtigen, wenn man Kinder hat?

Konsumenten diverser TV-Reality Soaps ahnen schon seit Jahren, was die aktuelle Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes bestätigt: Deutschland ist Auswanderungsland. Rund 175.000 Deutsche haben demnach 2008 ihren Wohnsitz ins Ausland verleg - ein neuer Rekord. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie naheliegend: schlechte Karrieremöglichkeiten, zu niedriges Einkommen oder eine allgemein höher eingeschätzte Lebensqualität im Ausland zählen zu den wichtigsten Motiven.

Das Verhältnis von Dauerauswanderern zu temporären Auslandsarbeitern, die üblicherweise als "Expatriates" bezeichnet werden, lässt sich kaum einschätzen. Einen Anhaltspunkt bietet eine Umfrage von Just Landed aus dem Jahr 2007: von mehr als 1200 befragten deutschsprachigen Auswanderern gaben 71 Prozent an, irgendwann nach Deutschland zurück zu wollen. Nur 34 Prozent empfanden ihr Leben im Ausland als eindeutig besser als daheim.

Den Kindern fällt die Trennung schwer


Sehr oft sind es neben zu optimistischen Erwartungen in beruflicher Hinsicht, Anpassungsprobleme im kulturellen und sprachlichen Bereich sowie die Schwierigkeit Freunde zu finden, die das Leben im Ausland in einem anderen Licht erscheinen lassen, als erwartet - vor allem für Familien mit Kindern. Ist es für Singles oder kinderlose Paare schon eine Herausforderung sich in einem fremden Umfeld zurechtzufinden, so wird es mit Kindern noch ein wenig komplizierter.

So fällt es Kindern den Erfahrungen zahlreicher Expatriates zufolge zumeist sehr schwer sich von ihren Freunden, ihrem sozialen Umfeld in der erweiterten Familie, in Kindergarten und Schule zu trennen. Heimweh, Unsicherheit, Angst sind oft Folgen des Umzugs.

Um solchen negativen Nebenwirkungen einer Übersiedlung ins Ausland vorzubeugen, raten Experten dazu, sich gründlich und längerfristig mit dem Umzug auseinanderzusetzen. Neben einer genauen Definition dessen, was die Eltern in ihrer neuen Heimat tun wollen, ist es notwendig, sich über das Land und die kulturellen Unterschiede vorab zu informieren. Personalberater empfehlen, sich das Zielland bei einem oder zwei Besuchen anzusehen und sich darüber Gedanken zu machen, ob man sich ein Leben dort auch wirklich längerfristig vorstellen kann. Ebenso sollte ein Grundkurs in der Landessprache bereits zu Hause absolviert werden.

Die Neugier der Kinder wecken


Wenn sich die Eltern ihrer Sache sicher sind und nicht in ein Abenteuer voller Unwägbarkeiten stürzen, kann ein Umzug für die Kinder ein nachhaltig positives und gewinnbringendes Erlebnis werden. Davon geht auch Hilly van Swol-Ulbrich aus, die eine eigene Webseite für (angehende) Expat-Kinder betreibt. Swol-Ulbrich ist seit 1991 als Trainerin für interkulturelles Lernen tätig und hat ihren beruflichen Schwerpunkt auf die Bedürfnisse von Expatriates gelegt. In ihrem 2002 veröffentlichten Buch "Andere Länder, andere Kinder" behandelt sie das Thema aus Sicht der Kinder. Diese sollen so früh wie möglich in die Vorbereitungen eingebunden, ihre Neugier geweckt werden. Dadurch ließen sich Unsicherheiten abbauen und an der schwerwiegenden Veränderung des gewohnten Lebens Freude empfinden.

Die richtige Schule finden


Eine der zentralen Fragen für Auswanderer mit Kindern ist jene der Wahl der geeigneten Kinderbetreuung. Das beginnt bei der Auswahl des Babysitters und setzt sich bei der Auswahl von Kindergarten bzw. Schule fort. Babysitter für stundenweise Betreuung ebenso wie Nannies für halb- oder ganztägige Betreuung können in den meisten Ländern ohne Probleme über Agenturen gefunden werden.Kindergarten und Schule stellen eine größere Herausforderung dar. Insbesondere Eltern von Kindern, die nicht zweisprachig aufwachsen, stehen vor der Frage: Englisch, Deutsch oder Landessprache?

Zwar herrscht unter Entwicklungspsychologen weitgehend Einigkeit darüber, dass Kinder, je jünger sie sind, desto schneller, eine Fremdsprache erlernen. Allerdings ändert sich für die Kleinen ja nicht nur die Schule, sondern das gesamte soziale Umfeld. Und oft ist durch die beruflichen Anforderungen in der neuen Heimat ein Elternteil praktisch dauerhaft abwesend.

Wie sich aus den Erfahrungen von Expatriates zeigt, kann dies leicht zum Problem werden, wenn in der neuen Schule nur Englisch oder die Landessprache gesprochen wird. Anpassungsschwierigkeiten, Zurückgezogenheit oder Aggressivität der Kinder sind nicht selten Reaktionen, mit denen sich "Auswanderer" in den ersten Monaten in der neuen Heimat konfrontiert sehen.

Welche Unterrichtssprache ist die beste?


Viele Eltern entscheiden sich daher für eine Deutsche Schule. Neben der Sicherheit durch die Sprache finden die Kinder leichter sozialen Anschluss und neue Freunde. Davon profitieren letzten Endes auch die Eltern, die neben einem ausgeglichenen und glücklichen Kind auch selbst über die Schule leichter neue Kontakte finden. Und das zu Menschen mit einem ähnlichen Lebenshintergrund. Außerdem bieten deutsche Schulen den Vorteil, dass sich die Lehrpläne an jenen deutscher Bundesländer orientieren, was bei einer Rückkehr nach Deutschland den Wiedereinstieg erheblich erleichtert.

Die Frage der staatlichen Anerkennung sollte unbedingt geklärt werden, wenn man mit dem Besuch einer "International School" liebäugelt. Sie bieten in nichtenglischsprachigen Ländern - mit Englisch als Unterrichtssprache - eine verlockende Alternative speziell für Expat-Familien, die nach ein paar Jahren weiter ziehen wollen. Der Erfahrung vieler Expats zufolge sollte der Entscheidung der Kontakt zu den Vertretungen der USA bzw. Großbritanniens vorausgehen, da viele dieser Schulen von den Schulbehörden in diesen Ländern nicht vollwertig anerkannt werden.

Auch für uns - seit Anfang 2009 in Polen beheimatet - war schnell klar: es soll ein englischsprachiger Kindergarten werden. Erstens, weil es für eventuelle weitere Auslandsstationen von Vorteil ist und zweitens, weil wir selbst nicht Polnisch sprechen. Nach einigen Besuchen englischsprachiger Einrichtungen hatten wir uns bald entschieden und meldeten unseren Sohn, damals vier Jahre alt in einem Montessori-Kindergarten mit einer aus allen Erdteilen bunt zusammen gewürfelten Kinderschar an - als einzige deutschsprachige Familie.

Vier Monate später zogen wir die Notbremse. Zwar hatte sich das Sprachverständnis unseres Kindes merkbar entwickelt, sprechen wollte er aber nicht, wurde im Gegenteil immer verstockter. Der tägliche Weg zum Kindergarten war eine Tortur. "Ich will nicht in den Kindergarten", hörten wir nahezu jeden Morgen, begleitet von bitteren Tränen und einem zunehmend aggressiver werdenden Verhalten unseres Sohnes. Und so entschlossen wir uns für die Deutsche Schule Warschau. Und binnen kürzester Zeit hatten wir unser Kind wieder - einen lebhaften, lustigen Jungen, der sich jeden Morgen auf die Zeit im Kindergarten freut.

Das neue Haus


Viele Expatriates wollen bereits vor dem Umzug eine Wohnung bzw. ein Haus am neuen Lebensmittelpunkt haben, um nicht erst wochen- oder monatelang im Hotel leben zu müssen. Vor allem Kinder wissen es zu schätzen, wenn sie schnell wieder ihr eigenes Zimmer beziehen können und wenn sich zu Hause auch wie zu Hause aussieht, so riecht und sich danach anfühlt.

Das gilt ebenso für die Stadt in der man ankommt. Je schneller man diese mit den Kindern erkundet, sich "seine" Wege - zur Schule, zum nächstgelegenen Spielplatz oder zum Schwimmbad - definiert, desto eher wird sich ein heimatliches Gefühl einstellen.

Und schließlich heißt Umzug auch, sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen - für die Kinder ebenso wie für die Eltern. Der wichtigste Ort, um Bekanntschaften zu machen, sind der Kindergarten oder die Schule der Kinder. Nirgendwo sonst ist es möglich, binnen kürzester Zeit Anschluss zu finden. Die Lebenssituation von Auswanderern ist ähnlich und nahezu jeder freut sich über einen weiteren Kontakt zum Erfahrungsaustausch - und über einen potenziellen neuen Spielkameraden für das eigene Kind.

Daneben existieren in nahezu allen Ländern Vereine und Treffen von deutschsprachigen Ausländern und werden sowohl von privater Seite als auch von offiziellen Vertretungen organisiert. Eines haben sie alle - ob Deutsche Vereine, Kulturinstitute oder Schwimmtreffs von Müttern mit Kleinkindern - sie bringen Menschen zusammen und bringen neben ein paar unterhaltsamen Stunden zumeist auch jede Menge guter Tipps und Erfahrungsberichte.

Als Hausmann in Polen


Was im Auswanderer-Alltag oft zu kurz kommt ist die Frage, wie sich das Leben des begleitenden Partners, der ja zumeist keinen Job vor Ort und damit auch kaum die Chance auf soziale Kontakte hat, gestalten soll. Und das führt sehr oft dazu, dass das Leben in der neuen Heimat nicht immer so reibungslos verläuft, wie es erwartet wurde. Das belegen Studien und - auch - die persönliche Erfahrung des Autors, der seiner Frau nach Polen gefolgt ist.

Für den Expat-Mann, der sich für den Rollentausch entscheidet und als Vollzeit-Hausmann und Vater tätig ist, brechen keineswegs "paradiesische Zeiten" an. Wobei es nicht in erster Linie die Familienorganisation ist - die war auch davor schon Teil des Alltags - sondern vielmehr das regelmäßig auftretende Gefühl des "Eingesperrtseins" - vor allem bevor unser Sohn den passenden Kindergarten gefunden hatte.

Für den Partner ist es meist noch schwerer Anschluss zu finden. Der Grund dafür ist simpel: in aller Regel sind die begleitenden Partner Frauen, ein "Nur"-Hausmann und Vater ist ein exotisches Wesen. Und findet schwer Zugang zu den diversen Treffen und Gruppen, die üblicherweise von den Expat-Müttern organisiert werden.

Ein längerer Aufenthalt im Ausland kann für die ganze Familie gewinnbringend sein. Vorausgesetzt, die Vorbereitung erfolgt gründlich und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder.

Herbert Dietrichstein

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