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07.06.2011 18. Woche
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Canary Wharf

Canary Wharf, die Yuppie-Hochburg von London; schon wieder Ferien; Hitzewelle in England; Fahrradtour zum Olympiagelände; Bauarbeiten in Hackney
Kennt ihr Canary Wharf? Vermutlich nicht, denn es gehört nicht gerade zu den Sehenswürdigkeiten von London. Der Gebäudekomplex, den man auch Mini-Manhattan nennen könnte, spielte aber eine wichtige Rolle in der Kindheit meiner Jungs. Canary Wharf ist ein in den 1980er Jahren errichtetes Bankenviertel in den Docklands also dem ehemalige Londoner Hafengebiet. Dort wo früher die Dreimaster aus den britischen Kolonien Sklaven, Tee und Zucker anlieferten, zerbrechen sich heute die Banker den Kopf, wie sie aus ihren Kunden noch einige Cent mehr rausquetschen können.

Das Banken- und Börsenzentrum Londons ist traditionell die City. Um in den 1980er Jahren ein Gegengewicht zur allmächtigen City zu schaffen, wurde Canary Wharf gebaut. Dort befinden sich nicht nur riesige Hochhäuser sämtlicher britischer Großbanken, sondern auch alles was der moderne Yuppie zum Leben braucht von der Edelboutique über das Toprestaurant bis zum Fitnesscenter.

Was aber haben Finn und Josh mit Canary Wharf zu tun? Ganz einfach. Es gibt in Canary Wharf ein riesiges unterirdisches Shopping Center. Es ist ein bisschen überkandidelt und kaufen können wir dort nichts, aber es ist alles schön sauber und ordentlich und man muss sich nicht dauernd Sorgen darüber machen, wo die Kleinen jetzt wieder hingerast sind.

Meine Kollegen bei Haymarket fragten mich jeden Montag, ob ich wieder mit meinen Kids in Canary Wharf war. Meine Frau hasst Canary Wharf, aber die Jungs und ich lieben es. Die übliche Wharf-Tour beeinhaltet Kaffee trinken (Limonade für Finn und Josh), ein Besuch im Videospielcenter und Hifi-Laden, eine Stunde in der sehr schönen und ruhigen Parkanlage von Canary Wharf und wenn die Kohle noch langt ein Kinobesuch.

Letzte Woche waren bei uns Ferien und den Mittwoch verbrachte ich mit Finn und Josh in Canary Wharf. Half-term heißen diese einwöchigen Ferien in England. Jeweils eine Woche im Frühjahr und im Herbst. Warum es diese Ferien gibt, weiß ich nicht. Vielleicht sollte ich meine Frau mal fragen, die weiß es sicher. Nun ja, Schulferien sind ein Spießrutenlauf, das wisst ihr ja sicher alle. Diesmal war es bei uns allerdings etwas erträglicher, denn ich konnte öfter in mein neues Büro in Soho fliehen. Da fällt mir ein, dass ich unbedingt Fotos davon hochladen sollte. Überhaupt sollte ich mehr Fotos hochladen, um meine Geschichten hier zu illustrieren.

Ich schaffte es doch tatsächlich letzte Woche mindestens viermal ins Büro zu gehen, und auch richtig was wegzuarbeiten. Die Gefahr bei mir ist, wenn ich den Kindern einmal entronnen bin, dass ich dann ewig auf Facebook herumkaspere oder alle möglichen E-Mails schreibe und die Stunden, die ich mir für die Maloche freigeschaufelt habe, vertrödele. Und dann ist Hängen im Schacht, wie mein Vater immer zu sagen pflegte (weiß jemand von euch, woher dieser Spruch kommt? Bergbau?)

Um das Schachthängen zu verhindern, war ich aber ziemlich anständig und arbeitete tatsächlich, wenn ich mich denn endlich nach Soho durchgeschlagen hatte. Heute schreibe ich mein Vätertagebuch übrigens in der Küche, denn gestern schaffte ich es einfach nicht. Im Radio dudelt Classic FM, meine Frau badet gerade, die Kids spielen Wii und ich nutze die stille Stunde zum Schreiben.

Übrigens scheint der englische Wettergott meine Blogeinträge auch zu lesen. Ich hatte mich ja mehrmals darüber ausgelassen, dass das Wetter hier in London in den letzten Wochen so schön sommerlich war und prompt ist es mit dem Sonnenschein vorbei und es regnet wieder. Aber ich mag das ja ganz gerne. Bevor es sich wieder zuzog auf den britischen Inseln, sprachen die Zeitungen von einer Hitzewelle. Für einen Deutschen ist das kaum nachvollziehbar, denn als Hitzewelle gilt hier alles über 27 Grad im Schatten, die es ja in Deutschland jeden Sommer hat. Tatsächlich scheint hier aber die Sonne so selten, dass Temperaturen über 30 Grad ungewöhnlich sind. Außerdem leidet die Presse in der schönen Jahreszeit am sogenannten Sommerloch und ist dankbar für alles was nur im entferntesten nach Sensation riecht.

Am Montag ging Sue mit ihrer Freundin Jess und den Kindern in den Park, und ich verbrachte den Tag in Soho und arbeitete. Eigentlich sollte ich erst unsere Fahrräder in Gang bringen, aber das erwies sich doch als schwieriger als gedacht. Sue spielte auch Tennis mit den Jungs, denn in unserem Park gibt es einige Tennisplätze wobei das vermutlich eher so eine Art „Schoppendoppel“ war, wie die Hessen das nennen.

Am Dienstag kamen mein alter Freund Breanainn und sein Sohn Patrick zu Besuch. Obwohl Breanainn Ire ist, trinkt er leidenschaftlich gerne Kaffee. Und da ich auch leidenschaftlich gerne Kaffee trinke sitzen wir meist den halben Tag in der Küche und quatschen wie die Waschweiber. Nach dem Mittagessen (Fischstäbchen und Pommes) gingen wir zum Fußball spielen in den Park, wobei ich mich drückte und auf der Bank saß, meinen Teint auffrischte und in mein Tagebuch schrieb. Mit Fußball habe ich einfach nichts am Hut.

Am Mittwoch hatten wir wieder Besuch. Diesmal von Finns Klassenkamerad Alfie. Alfie lebt alleine mit seiner Mutter, die halbtags als Hebamme im örtlichen Krankenhaus schwangeren Mutties dabei hilft, Babys zur Welt zu bringen. Weil sie keine Verwandten in London hat, verbringt ihr Sohn die Tage an denen sie arbeitet meist bei Freunden unter anderem auch bei uns.

Finn und Alfie kommen nicht immer so gut miteinander aus. Alfie ist ein bisschen ungeduldig und hat etwas Schwierigkeiten mit Finns kleinen Marotten deswegen muss ich öfter schlichtend eingreifen. Meist entbrennt der Streit, wenn Finn beim Wii spielen die anderen nicht zum Zug kommen lassen will. Wobei Alfi ein begeisterter Fußballspieler ist und viel Zeit beim Kicken mit Josh im Garten verbrachte. Finn wird dann leider ausgeschlossen, wie das bei drei Kindern öfter der Fall ist.

Für den Donnerstag hatten wir wie schon erwähnt, einen Ausflug nach Canary Wharf eingeplant.

Freitagmorgen schien wieder die Sonne, und ich verbrachte den Morgen damit, die Fahrräder in Gang zu bringen. Dazu musste ich meinen Freund Floyd besuchen, denn wir brauchten einen ziemlich großen Schraubenschlüssel, um Finns Hauptlager festzuziehen. Ansonsten mussten nur die Bremsen gangbar gemacht werden, die über den Winter festgerostet waren. Unsere Fahrräder befinden sich leider im Freien und auch wenn sie abgedeckt sind, macht sich der Rost an ihnen zu schaffen.

Anschließend machte sich Sue mit den Jungs zu einer Fahrradtour zum Olympiagelände auf. Wie ihr sicher wisst, finden nächstes Jahr in London die olympischen Spiele statt. Das Gelände ist nur einen Katzensprung von uns entfernt. Ein mächtiges Stadium reckt bereits sein Haupt über die Häuser des East Ends und einige weitere sind in Arbeit. Seit Jahren ist fast das gesamte östliche Stadtgebiet von London eine riesige Baustelle. Für Hackney ist das gut, denn es wurde endlich wieder in die zum Teil doch recht abgewrackte Infrastruktur investiert. Sogar in unserer Straße wurden Bäume gepflanzt und wir bekamen neue Straßenlaternen. Die Baustellen sind zwar nervig, aber Hackney sieht inzwischen doch um einiges schöner aus als vorher. Insofern kann ich auch damit leben, dass wir zeitweise noch mehr Verkehrsstaus als sonst haben.

Am Wochenende beschäftigte sich Sue mit den Jungs, denn ich hatte ziemlich viel zu tun und konnte mich zwei Tage lang meiner Arbeit widmen, was ich im Allgemeinen recht entspannend finde. Außerdem ist es schön, mal aus Hackney rauszukommen und Soho unsicher zu machen. Neben vielen Restaurants und Cafés gibt es in Soho auch viele Gitarrenläden und so verbringe ich meine Pausen oft damit, mir sehnsüchtig Klampfen anzuschauen, die ich mir nicht leisten kann.

Oh weh, schon wieder ist eine Woche wie im Flug vergangen und außerdem werde ich dieses Jahr 45, aber davon will ich lieber gar nicht erst anfangen. Am 17. Juni bin ich im übrigen zu einem Klassentreffen in Deutschland eingeladen. Derzeit bin ich aber so pleite, dass ich mir den Flug nach D wirklich nicht leisten kann. Schade eigentlich.

Also dann wünsche ich euch eine erfolgreiche Woche, eigentlich wollte ich noch geruhsam schreiben, aber so richtig geruhsam ist es ja mit Kids eigentlich nie, oder?

Bis nächste Woche und viel Grüße aus der Ferne,

Frank
Bild: Canary Wharf

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Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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