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09.09.2010 8. Woche
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Die grosse Freiheit

Meine Reisezeit geht ohne Johanna und Noa weiter. Ich komme nur langsam in der neuen Situation an.
Ich habe Delhi mit dem Nachtzug verlassen. Am frühen Morgen bin ich in Rishikesh angekommen. Der Ort an dem ich jetzt lebe, ist anders als alles was ich bisher von Indien gesehen habe. Tempel säumen die Ufer des Ganges. Zu jeder Tageszeit klingen die Gesänge der Pujas zahlreicher Ashrams über das Wasser. Ganga ist wild und ungestüm. Ihre Wasser überschwämmen die Gaths. Sie spülen Sand auf die Treppen und reißen mit sich, was ihrer Gewalt nicht standhält. Heilige Männer sind in Tücher in den Farben des Feuers gehüllt. Die Ufer des Ganges werden von Sadhus, Händlern, Bettlern, Brahmanen, hinduistischen Pilgern und Touristen bevölkert. All diese Kategorien sind ineinander verwoben und vermischen sich.

Seit einer Woche bin ich ohne Jonanna und Noa im Indien. Es fuehlt sich länger an. Der Abschied von den Beiden war schnell und überstuerzt. Die Umstellung jetzt allein auf der Reise zu sein nimmt mich in Anspruch. In den vergangenen Tagen wusste ich oft nicht, ob es mir gut geht oder schlecht. Langsam entspanne ich mich. Johanna und Noa sind gut zu Hause angekommen. Sie genießen das deutsche Wetter und das deutsche Essen.

Ich habe jetzt alle Freiheiten der Reisezeit und praktisch keine Verpflichtungen. Johanna kümmert sich um Noa. Sie macht mir damit das große Geschenk diese Zeit für mich zu haben. Was fange ich damit an?

Zuerst einmal nehme ich mir Zeit in der neuen Situation anzukommen. Diese Reise verläuft anders als ich sie mir vorgestellt habe. Ich bin nicht darauf vorbereitet. Räumlich von Noa getrennt zu sein, fühlt sich erst mal sehr seltsam an. Wenn ich ihre Stimme am Telefon höre, wird mir fast schwindelig. Diese Tage, Wochen und Monate sind eine Ewigkeit in der Kinderzeit. Doch Noa ist eben auch kein Baby und kein Kleinkind mehr. Sie ist jetzt ein kleines Kind und sie wird mich wiedererkennen, wenn wir uns wiedersehen. (Hoffentlich!)

In diesen Tagen stehe ich früh auf. Ich besuche Yogastunden in einem der Ashrams am Gagesufer. Oder ich sitze am Wasser und beginne den Tag mit einer stillen Meditation. Ein 73jähriger Mann mit langem, weißem Bart lehrt mich auf der indischen Banbusquerflöte zu spielen. Er wohnt an einem klaren Gebirgsbach im obersten Haus der Siedlung, die sich in das Gangestal schmiegt. Das Haus ist von Reisfeldern umgeben. Inmitten der Terrassenfelder steht ein riesiger Baum. An dessen Stamm ist ein kleiner Krishnatempel angelegt. Ein Bild zeigt Krishna mit einer Bambusflöte und seiner Gemahlin Radha. Eine hinduistische Erzählung berichtet, dass die Flöte selbst Shiva ist. Shiva gibt sich dem Klang der Musik ganz hin und ist gleichzeitig das Instrument, welches sie hervorbringt.

In Indien ist die Lehrer-Schüler Beziehung durch Strenge geprägt. Swami Shivaratri schüttelt verärgert den Kopf, wenn ich einen falschen Ton treffe. Das kommt ziemlich häufig vor.

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