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19.09.2011 31. Woche
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Die Untiefen des World Wide Web

Sleep-Over mit Sam; Fortschritte beim Bettnässen; Schulen und kein Ende
Finn, Josh und Sue sind gerade ins Schwimmbad gegangen. Ich muss gestehen, dass ich mich gedrückt habe. Die letzte Woche war ziemlich hektisch wegen des Motorradmagazins, und ich muss mal eine kleine Verschnaufpause einlegen. Gerade genieße ich die Ruhe. Außerdem war ich am Freitag bei einem Bewerbungsgespräch und so was zehrt auch an den Nerven. Wo meine Frau die Energie hernimmt, jetzt noch schwimmen zu gehen, weiß ich wirklich nicht. Die viele Nachtarbeit haut doch einfach irgendwann rein. Am Freitag bin ich um 20.30 Uhr ins Bett gegangen. Meine durchschnittliche Zubettgehzeit ist sonst zwischen 1 und 2 Uhr, manchmal auch später.

Außerdem hatten wir am Wochenende Joshs Freund Sam über Nacht zu Besuch. An sich klappt das ganz gut, aber diesmal waren die Kids wie vom wilden Affen gebissen. Obwohl ich mit ihnen gestern im Park war, rasten sie von Freitagmorgen bis Sonntagmittag schreiend durchs Haus. Dazu muss ich sagen, dass Sam ziemlich hyperaktiv ist. Mehr als normal in meinen Augen. Finn und Josh können sich auch gut mit sich selbst beschäftigen, aber Sam hat damit Schwierigkeiten. Seine hektische Art macht Finn leider nervös. Dummerweise hatte ich auch noch viel Arbeit, und meine Frau und ich wollten diverse Dinge besprechen. Ich muss gestehen, ich war ganz froh als Sams Mutter heute Mittag kam, um ihn abzuholen.

Meine Frau und ich versuchten verweifelt, uns über mein Vorstellungsgespräch vom Freitag zu unterhalten, aber es war praktisch unmöglich. Das Heft für das ich mich als Chefredakteur beworben hatte, klingt nämlich interessant und es ist auch gut bezahlt. Die beiden Pferdefüße sind allerdings, dass ich mich mit den dort behandelten Themen nicht so gut auskenne (ich kann hier nicht näher darauf eingehen, zumindest im Moment noch nicht) und das der Verlag mich drei Tage die Woche im Büro haben möchte.

Gerne hätte ich gleich meine Bereitschaft zur Mitarbeit verkündet, aber das konnte ich natürlich nicht. Wie ihr wisst, arbeitet meine Frau ja drei Tage die Woche als Kunstlehrerin, und ich wüsste gerade nicht, wie wir so einen Job organisieren sollen. Wobei mir meine Erfahrung mit Magazinprojekten sagt, dass es wirklich nicht notwendig ist, dort drei Tage im Büro zu sein, um so ein Heft zu machen. Die Verlage sind halt nervös und wollen Mitarbeiter vor Ort haben. Oder zumindest dieser Verlag ist es. Das Heft erscheint sechsmal im Jahr und dafür müsste man sich höchstens ab und an im Büro für Meetings sehen lassen. Alles weitere ließe sich prima per E-Mail und am Telefon besprechen, denn ich kann ja auch von Zuhause arbeiten. Der Verlagsstandort ist mit Covent Garden sehr schön, aber mir würde garantiert dort langweilig im Büro, denn ich habe mich jetzt wirklich ans Freiendasein gewöhnt. Es hat ja auch lang genug gedauert. Nun ja, bislang wurde mir der Job auch noch nicht angeboten, insofern ist das alles vielleicht etwas verfrüht.

Letzte Woche gab es übrigens wieder Fortschritte im Bettnässprojekt. Finn schaffte es, zwei Tage lang trocken zu bleiben, und er war ganz stolz. Dann kehrte er leider wieder zu seinen alten Gepflogenheiten zurück. Ich muss gestehen, dass ich allmählich hoffnungsvoll bin, denn ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell Fortschritte sehen. Also: Daumen drücken!

Im Moment ist auch das Thema unzüchtige Webseiten wieder aktuell. Am Donnerstagmorgen kam meine Frau ins Schlafzimmer gestürmt (kurz bevor sie sich auf den Weg in die Schule machte) und verkündete panisch, dass Finn sich wieder Mädels in Bikins angeschaut hätte. Ich rollte mit den Augen, aber willigte ein, mit ihm zu reden. Am Abend nahmen wir ihn also zur Seite, aber er weinte furchtbar und meinte, er sei es nicht gewesen. Das stimmte mich etwas misstrauisch, denn eines von Finns Asperger-Symptomen ist, dass er eher die Wahrheit sagen muss, auch wenn es ihn in Schwierigkeiten bringt.

Am Freitagmorgen wiederholte sich das Szenario. Meine Frau kam um 7.30 Uhr ins Schlafzimmer gestürmt und sagte, jemand hätte sich wieder Bikini-Mädels auf meinem Mac angeschaut. „Oder warst du das?“, fragte sie. „Sag mal spinnst du“, antwortete ich. Ich bin wirklich viel zu alt für derlei Dinge … Finn war an diesem Morgen aber um 7.30 Uhr noch im Bett und schlief – mit anderen Worten: es war Josh! Meine Frau fiel aus allen Wolken. Am Abend sprach sie mit ihm (ich war bereits um 8.30 Uhr im Bett), und er behauptete es nicht gewesen zu sein und so weiter. Ich versuchte dann, Sue zu beruhigen und erklärte, dass ich mir wirklich nicht so sehr viele Sorgen deswegen machte. Sie glaubt das inzwischen auch, aber sie hat Angst, dass die Jungs sich krankes Zeug im Internet anschauen.

Eine Angst, die nicht unbegründet ist, wenn man sich vor Augen hält, was in den Untiefen des World Wide Web so lauert. In Zukunft muss ich also mein Password ändern und abends die Tür zum Arbeitszimmer absperren sowie den Schlüssel in meiner Hosentasche aufbewahren. Tagsüber habe ich meist ein Auge darauf was die Jungs im Internet so treiben. Damit müsste sich das Thema eigentlich erledigt haben.

Ein anderes Thema, das gerade wieder akuell geworden ist, sind die weiterführende Schulen. Wir müssen uns bald für Finns Schule anmelden, sprich meine Frau und ich werden uns in den nächsten Tagen noch einige mehr anschauen. Schulen in Hackney waren vor etwa zehn Jahren ein großes Problem. Diverse Schule mussten wegen Gewalt- und Drogenproblemen geschlosen werden, weil niemand den Kids mehr Herr wurde. Hackney hat nun mal viele soziale Brennpunkte und was die Eltern jahrzehntelang versäumt haben, kann der Lehrer im Schulunterricht nicht nachholen.

Die englische Regierung griff dann aber hart durch und änderte die Schulpolitik gewaltig und vollzog eine Rückkehr zu traditionellen Werten wie Disziplin, Pünktlichkeit, gutes Benehmen und so weiter. Die Konsequenz war, dass es in Hackney jetzt einige sehr gute Schulen gibt. In Großbritannien werden die Lehranstalten alle vier Jahre von einem Schulinspektor überprüft, außerdem werden die Abschlussergebnisse der sechsten, zehnten und zwölften Klassen im Internet veröffentlicht. Auf diese Art können die Eltern genau nachvollziehen, ob es mit einer Schule bergab oder bergauf geht. Ein gutes System wie ich finde. Natürlich stehen Schüler und Lehrer damit stärker unter Druck, aber das ist mir ehrlich gesagt lieber, als wenn der Schlenz einreißt und man erst merkt, was in der Schule alles versaut wurde, wenn die Kids dann an der Uni ins Schleudern kommen.

So, das war es mal wieder. Ich wünsche allen Lesern eine gute Zeit und wir hören uns dann nächste Woche wieder.

Viele Grüße von der Themse,

Frank

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Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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