väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

15.05.2011 2. Woche
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Die Verunsicherung der Männer

Der Text ist eine Zusammenfassung der fünften Woche zusammen mit meinem Sohn Piet.
In den letzten Wochen habe ich viel im Internet gelesen. Der moderne Mann und insbesondere die "neuen Väter" sind in allen Medien ein beliebtes Thema. In den letzten Jahren wird vermehrt darüber berichtet, was an sich ja nichts schlechtes ist. Zu den "neuen Vätern" gehören natürlich auch die Vollzeitväter, also auch ich.

Es ist zum Teil sehr irritierend, was man so lesen muss, oder lesen darf. Eine These hat mich besonders angesprochen, die der verunsicherten Männer.

"[... ]Die Männer sind verunsichert. Was ist denn nun typisch Mann? [...] Schwierig ist es für Männer, sich in die neue Rolle des Hausmanns und modernen Vaters hineinzufinden. Da die Frau sich nun verstärkt auf die Karriere konzentriert, kann es schon einmal vorkommen, dass der Vater zu Hause die Kinder hüten muss – was eigentlich gegen sein Rollenverständnis spricht. Nur 3 Prozent der Väter gehen in Elternzeit, obwohl dies gesetzlich möglich ist. Wer will schon vor seinen Kollegen als „Weichei“ dastehen?" aus: Die Emanzipation, Fluch oder Segen? edarling

Tja, oje. Da kommen mir reichlich Selbstzweifel in den Sinn:

Werden mich meine Freunde jetzt noch als echten Mann sehen, wo ich nun Vollzeitvater bin?
Wird mich meine Frau noch attraktiv finden, wenn sie wieder arbeiten geht und ich den Haushalt schmeiße?
Werden mich die Nachbarn auslachen, wenn ich mit dem roten Suzuki Swift zum Einkaufen fahre?
Werde ich in finanzielle Abhängkeit geraten, wird mein Taschengeld ausreichen?
Werden meine Brüste wachsen, jetzt, wo ich Hausmann bin?
Bekomme ich vom Spülen rauhe Hände?

Jetzt mal im Ernst, die typische Gegenreaktion gegen derartige Verunsicherungen ist natürlich die Betonung der eigenen Männlichkeit. Ich finde das ganz normal.

Alice Schwarzer hat sich dazu mehrfach geäußert, so auch im Spiegel, sie nervt dieses Männergehabe extrem an:

"In Reaktion darauf steigt die Tendenz zur Männerbündelei und demonstrativen Männlichkeit."

Ich bin mir dessen sehr bewusst und werde mich diesem Trend, Hausmann und Vater hin oder her, mit Begeisterung anschließen. Warum auch nicht? Nur weil es Alice Schwarzer nicht gefällt? Frauen betonen ja im Gegenzug auch gerne ihre Weiblichkeit, gerade wenn Sie im Alltag typische "Männerrollen" übernehmen:

HILFE! Ich brauche Hilfe! schrie meine Frau aus dem anderen Raum.

Was ist los? Sind Gliedmaßen abgetrennt worden?

Nein, viel Schlimmer! Hier ist ein gemeines Vieh im Schlafzimmer, TÖTE ES!

Wie gewünscht stellte ich mich der Gefahr, und bekam sofort den Dank von der Dame des Hauses.

Mein Held!

Ich empfinde das Berufen auf typische Männer- und Frauen-Klisches nicht als Gefahr für die Emanzipation, ganz im Gegenteil. Das sind für mich positive Auswirkungen der modernen Rollenbilder, zeigt es doch, dass es scheinbar nichts wichtigeres gibt.

In diesem Sinne habe ich mir "Predators" angesehen und habe dabei vermutlich, wie schon bei "Machete" mehr Spaß gehabt, als meine Frau. Gut so. HarrHarr.

Am nächsten Tag kam ein Brief vom Finanzamt an. "Sehr geehrter Herr Piet Schü., das Zentralamt für Steuern hat Ihnen die Idendifikationsnummer [...] zugeteilt. [...] Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie steuerlich nicht geführt werden sollten. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei [...] Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer immer an. [...] "

Als ich diesen Brief aufmachte, konnte ich es nicht fassen. Ich werde Piet den Brief heute Abend zum Einschlafen vorlesen, ich bin mir aber nicht sicher, ob er den schon versteht. Bedeutet der Brief jetzt eigentlich, dass ich meinen Sohn jetzt schon arbeiten schicken kann? Das wäre ja super. Ich dachte schon, das würde noch 18 Jahre dauern.

Ich liebe Deutschland und seine Bürokratie, hier hat alles seine Ordnung und ein gerade vier Wochen altes Baby bereits seine Steuernummer, wie es sich gehört. ;)

Diese Woche habe ich mich auch auf der "Mutterseite" des Verlags von Väterzeit umgesehen, bei kidsgo.de.
Dort sind mir die Produkttests aufgefallen. Mit der anschließenden Bewerbung als Tester, habe ich mich direkt auch für den Newsletter angemeldet. Der erste Newsletter von kidsgo kam umgehend in mein E-Mail Postfach::

"Liebe Guido,

es ist schon toll, wie man sich als Schwangere sogar unter Beobachtung anderer dem Heißhunger hingeben darf. Aber ach, wäre da nicht das Spiegelbild nach der Geburt. Schlaffbauch, dicker Hintern und noch so einiges mehr macht beim eigenen Anblick nicht wirklich Spaß.

Doch mit Stillen, durchdachter Ernährung und dem richtigen Quentchen Sport hat man schnell die alte Figur wieder. [...]"

Hmm, dass die Kidsgo Seite sich eher an Mütter als an Väter wendet, war mir klar, aber der Newsletter ist schon hart. Die könnten ja bei der Bestellung des Newsletters fragen, ob man ein Vater oder eine Mutter ist.
Ich habe beim ersten Lesen schon gestaunt.

Von der falschen Anrede abgesehen ist der Text ja durchaus passend. "Schlaffbauch, dicker Hintern", woher wissen die das bloß? Ich habe das Problem ja bereits erkannt und direkt nach der Geburt begonnen, mit Stillen und mit mehr Sport dem entgegen zu wirken. Zuerst war mir nicht ganz klar, wie ich durch Stillen abnehmen soll, aber mittlerweile hab ich es kapiert. In der linken Hand halte ich Piet, in der rechten Hand die Flasche und im Mund halte ich das Spucktuch griffbereit.

So kann man nicht essen.

Als Sport fahre ich mehr Fahrrad, gehe wieder "fremd" Tanzen und versuche zumindest einmal in der Woche in das Fitnessstudio zu kommen. Ausreden zählen nicht, die haben tatsächlich 24 Stunden offen. Gerne würde ich auch wieder mit Judo oder Pon Do Kwan (Karate / Kickboxen) anfangen, aber dafür muss ich erst leichter werden.

Ein Freund von mir hat mit über 40 Jahren wieder mit Handball angefangen, dies ist auch eine Kampfsportart, zumindest sieht er jetzt immer so aus.

Wer kennt die Serie Family Guy? Eine Arbeitskollegin meinte mal zu mir, dass ich Ähnlichkeit mit Peter Griffin hätte.

"Peter, das Familienoberhaupt der Griffins, ist verzogen, übergewichtig, fernsehsüchtig und geistig zurückgeblieben" aus Wikipedia

Ich muss doch mehr Sport machen.

In dieser Zeichentrickserie können das Baby Stewie und der Hund Brian sprechen. Wie Seth McFarlane auf diese Idee gekommen ist, liegt auf der Hand, denn auch wir legen unserem Kind und unserer Katze Worte in den Mund.

Piet ist am liebsten auf uns drauf, wenn dies nicht so ist, fängt er an zu quengeln und bekommt Schluckauf.
Das passiert wie auf Kommando:

Hinlegen, Schluckauf, hochheben, kein Schluckauf, hinlegen, Schluckauf, hochheben, kein Schluckauf und so weiter. Wenn wir den Schluckauf ignorieren, macht er, dass die Luft stinkt.

Natürlich macht es das nicht absichtlich, oder vielleicht doch?

Babys können sich ja noch nicht verbal umfangreich ausdrücken, Körpersprache und Duftnoten können da helfen. Ob nun der Schluckauf wirklich eine Art moralische Erpressung ist, wird sich wohl nicht herausfinden lassen. Auf jeden Fall übe ich schon mal mit einer Hand zu tippen.

Vorgestern Abend stand ich an der Wickelkommode und bearbeitete gerade Piet, da zog ich die Spieluhr auf, um ihn etwas abzulenken. Es ertönte die bekannte Melodie "schlaf Kindchen schlaf", ich kann es nicht mehr hören. Wir haben drei Spieluhren, alle spielen dieses ach so schöne Kinderlied. Da ist ja der Eismann kreativer und den wollte ich schon mal niederschlagen, weil ich das Gefühl hatte, der fährt bimmelnd ständig im Kreis um unser Haus.

Tut er vermutlich auch, zumindest jetzt gerade, wo ich diesen Artikel schreibe.

Gibt es keine Spieluhren mit coolen Melodien? Die "SKS"-Spieluhr habe ich erstmal ausgemacht und begonnen die Titelmelodie von Star Trek zu, naja, singen kann man nicht sagen, nennen wir es mal summen. Es gibt auf der Welt sicher nur sehr wenige Menschen, die unmusikalischer sind als ich. Immerhin weiss ich es und renne nicht zum Casting von DSDS.

In der Zwischenzeit hatte meine Frau das Summen übernommen, sie kann es definitiv besser, daher improvisierte ich den passenden Text dazu:

"Widerstand ist zwecklos, resisitence is futile, du wirst gewickelt werden. Wir sind deine Eltern."

Offenbar hatte ich die richtige Tonlage getroffen, Piet war auf der Stelle ruhig.

Unser neues Babyphon, eignet sich schon so super, um einige lustige Dinge damit anzustellen. Letztens war meine Frau gerade oben in Piets Zimmer zum Wickeln, da probierte ich die Gegensprechfunktion aus:

"Piet, hier spricht dein Vater!"

Meine Frau hat unseren Sohn vor Schreck beinahe fallen lassen, tolle Funktion, man sollte aber davon wissen. Schade nur, dass das Eltern-Teil "Parent" nicht auch in der Form eines Communicators zum Anstecken zu haben ist, der Preis wäre mir dann vermutlich fast egal gewesen.

Letzte Nacht hat Piet um zwei Uhr morgens Essen wollen, dies hat bis 03:15 Uhr gedauert, danach konnte ich nicht mehr einschlafen, also macht man sich Gedanken. Früher ging es in solchen Situationen hauptsächlich um die Arbeit, heute um das Kind. Nein, ehrlich gesagt, eigentlich nicht.

Ich dachte über meine Worte zur Verunsicherung der “modernen Männer” und “neuen Väter” nach.

Was ist eigentlich typisch männlich? Die Steinzeit-Theorie ist ja mittlerweile jedem bekannt, was bringe ich denn so an archaischen Talenten mit, mir fiel tatsächlich so einiges ein:

Ich kann mit Pfeil und Bogen halbwegs umgehen, den Bogen habe ich sogar selbst gebaut

Einen 900 Gramm schweren Speer werfe ich deutlich weiter als 30 Meter

Mir sind 157 Techniken bekannt, einen anderen Menschen mit bloßen Händen zu töten, oder diesem erhebliche Schmerzen zuzufügen

In meiner Jugend habe ich mal Reiten gelernt

Ich kann essbare Pilze sammeln

Mein Patenonkel hat mir als Kind Angeln beigebracht, verlernt man das eigentlich?

Ich kann mit einem Schwert kämpfen

Meine Omi hat mir noch persönlich gezeigt, wie man Hühner, Wildvögel, Gänse und Maulwürfe tötet, und zwar mit dem, was gerade greifbar ist: Einem Spaten, einer Schüssel, oder eben die eigenen Hände.
Da war ich übrigens drei Jahre alt, so etwas vergisst man nie.

Norden finde ich auch ohne Karte und Kompass

Ich kann mit einer Axt einen Baum fällen, zumindest habe ich es schon mal gemacht

Die Pflanzen und Tiere meiner Umgebung kann ich ganz gut bestimmen

Leider sind diese Fähigkeiten in der heutigen Zeit extrem sinnlos, es sei denn, man ist Bear Grylls. Der kann das obendrein alles noch viel besser und vermutlich noch viel mehr davon.

Also auf diesem Weg komme ich zu keiner Lösung. Ich habe da aber mal ein Buch gelesen, "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken". Das Buch gibt es in unserem Haushalt nicht mehr, meine Frau hat es gehasst und irgendwann heimlich entsorgt, es gab zu oft Streit deswegen. Toller Beziehungsratgeber.

Aber ich kann mich an einen Test erinnern, auch an mein Ergebnis. Der Test hieß "männlich oder weiblich", dieser Test könnte mir weiterhelfen. Also habe in den direkt noch einmal online gemacht.

Damals, ungefähr 2003, erreichte ich in diesem Test minus 150 Punkte, meine Frau plus 350 Punkte. Das Fazit war damals, dass das Einzige, was meine Frau und ich gemeinsam haben, die Tatsache ist, dass wir zusammen auf einem Planetem leben.

Minus 150 Punkte bedeutet übrigens "extrem männlich, "die meisten Frauen erreichen Werte zwischen 150 und 300, die meisten Männer kommen auf Werte zwischen 0 und 180."

Den Test habe ich gerade erneut gemacht, das Ergebnis hat mich geschockt. Ich habe 25 Punkte erreicht, oh mein Gott, ich bin im plus Bereich gelandet, meine Männlichkeit ist vermutlich dahin. Das musste ich jetzt genau wissen, wo haben sich meine Aussagen verändert. Nach einem kleinen Check war ich völlig beruhigt, mit den Veränderungen kann ich gut leben:

Liebe ist mir wichtiger als Sex
Das wichtigste im Leben ist es für mich "Freunde zu haben und im Einklang mit den Leuten um mich herum zu Leben"

Na, wenn sich sonst nichts verändert hat. ;)

Das mit dem "Einklang mit den Leuten um mich herum" sehen meine Freunde und meine Familie vermutlich etwas anders, im allgemeinen bezeichnet man mein Einfühlungsvermögen als das einer Dampfwalze und meine soziale Kompetenz als die eines Backsteins. Aber der Wille zählt hoffentlich auch was. :)

Also nach dieser Definition bin ich immer noch typisch männlich. Kochen, Putzen und Kindererziehung kommen in diesem Test übrigens nicht vor, haben demnach also auch keinen Einfluss auf die Männlichkeit, dann brauche ich mir ja keinerlei Gedanken mehr deswegen zu machen.

Davon abgesehen ist meine persönliche Definition von Männlichkeit ohnehin eine komplett andere und hat auch mit dem Test keine Gemeinsamkeiten.

Als grundsätzlich viel wichtiger empfinde ich die persönlichen Eigenschaften, zum Beispiel meinen Hang zur Konsequenz. Ist ein Entschluss einmal gefasst, setzte ich diesen absolut konsequent um. Das kann als positive und negative Eigenschaft gezählt werden.

Es war nie mein ausdrücklicher Wunsch Vollzeitvater zu sein, dies war eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Da dieser Entschluss gefasst wurde, will ich auch das Beste daraus machen. Einen anderen Ansporn brauche ich auch nicht und ich bin mir ebenso so sicher, dass ich deswegen kein bisschen weniger männlich bin.

Dabei fällt mir ein, ich wollte noch checken, ob ich den nato-grünen Kinderwagen irgendwie tiefer legen kann.

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Kommentare von Lesern:

 
Volker, Kassel:
18.05.2011 16:18
Schreib doch auch mal was bei dir zu haus e so passiert! Deine Gedanken zum Thema Männer bringen es auf dem punkt!

Tagebuch Guido

Guido
Alter: 34
Wohnort: Neuss
Beruf: Vollzeitvater
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 15.04.2011
Letzter Eintrag: 25.06.2012

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