väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

11.08.2010 6. Woche
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Lärm und Stille im indischen Alltag

Der Krach Indiens lässt uns manchmal schlecht schlafen. Je länger ich hier bin, desdo besser sehe ich die Menschen und die Schönheit im Detail.
Der kleine Bazar, über dem sich unsere Wohnung befindet, wird für mich immer interessanter. Wir hören das Rauschen der Gebetsmühlen einer buddistischen Pagode. Tibetische Gebetsfahrnen sind zwischen den Haeusern gespannt. Manchmal fliegt der Geruch von Räucherwerk durch die Fenster unseres Wohnzimmers.

Im Haus gegenüber wohnt ein alter blinder Mann. Jeden Morgen findet er mit bedächtigen Bewegungen und mit einem Gehstock tastend seinen Weg die Straße hinauf zum buddistischen Heiligtum. Nachmittags hören wir den Muezzin der nahen Moschee. Abends schallen aus dem Gurudwara der Sighs mit Lautsprechern verstaerkte Gesänge auf die Straße. Aus dem Hindutempel am unteren Ende des Bazars tönen Trommeln, Rasseln und Gesang durch die Nacht.

Das ist die romantische Seite der indischen Geräuschkulisse. Gestern entluden schwer arbeitende Männer gleich hinter unserem Schlafzimmerfenster einen Lastwagen mit großen Flusssteinen für eine Baustelle in der Nachbarschaft. So etwas tun die Arbeiter meistens zwischen 21Uhr und 24 Uhr in der Nacht. Lärmschutz scheint hier unbekannt zu sein. Tagsüber dominieren die Hupen von Autos, Bussen und Rollern das Leben auf den Straßen.

Johanna meint dass die Fahrer die meiste Zeit die der Motor läuft auch die Hupe im Dauereinsatz haben. Beim poltern der Steine wacht Noa manchmal auf und ruft laut: Nein! Auf der Strasse hat sie sich in den ersten zwei Wochen nicht getraut einen einzigen Schritt zu tun. Jetzt suche ich mit ihr zusammen ruhige Wege ohne Verkehr. Dort traut sie sich, Indien auf eigenen Füßen zu erkunden. Und hier treffen wir auch die indischen Kinder, die vor der eigenen Haustuer spielen.

Mir gefällt es, mit Kindern zu sprechen. Da reichen wenige Worte aus. Und die Kinder sind sehr deutlich in ihren Gesten. Gleich neben unserem Haus ist eine kleine Teestube. Ich bin oft mit Noa dort und trinke Chai. Der vierjährige Sohn der Frau, die dort den Tee kocht, ist immer da. Ich finde, das er von den Männern an den Tischen recht rau behandelt wird. Auch die Mutter schimpft öfter als dass sie gute Worte für ihn übrig hätte.

Asisrana, so heist er, hat drei Schwestern. Der Vater ist nie zu sehen. Die Kinder kommen hier schon mit dreieinhalb in die Schule. Asisrana ist schon vier. Ich habe ihn noch nie in einer Schuluniform gesehen.
Ich verstehe das nicht. In anderen hinduistischen Familien ist der einzige Sohn der ganze Stolz der Familie. Asisrana aber scheint es schwerer zu haben als seine Schwestern. In seinem Gesicht sehe ich das kleine unschuldige Kind und manchmal auch etwas Trauriges und Hartes.

Weil sich niemand um ihn kümmert sucht er Kontakt mit der Männern, die hier Tee trinken. Daraus wird ein rauhes Spiel. Er ärgert sie. Sie schnappen ihn, ziehen ihn am Ohr oder kneifen ihn ins Bein. Es sind arme Männer: Lastenträger, Gemüseverkäufer und Straßenarbeiter.

Wenn ich mit Noa am Tisch sitize und auf des Treiben der Straße hinausschaue, winke ich Assisrana heran. Ich versuche mit ihm zu sprechen oder mache Seifenblasen mit den Kindern.

Unser Familienleben wird langsam immer geordneter. Johanna und ich nehmen jeweils eine Stunde Hindiunterricht am Tag. Ich morgens und sie nachmittags. Mittags kommt für eine Stunde Nina, eine Frau aus der Nachbarschaft, ins Haus. Sie hilft uns im Haushalt. So ist es hier üblich. Johanna und ich wollten das erst nicht aber wir sind an der ungewohnten Arbeit der Wäschewaschens verzweifelt. Der Kontakt mit Nina ist gut. Wir können mit ihr üben Hindi zu sprechen. Vielleicht bringt sie uns auch bei indisch zu kochen.

Je länger ich in Indien bin, je schärfer wird meine Aufmerksamkeit für die Details. Ich sehe die Intensität der Farben und die unterschiedlichen Gesichter der Menschen. Die Sprachschule liegt auf einem Berggipfel. Jeden Morgen laufe ich durch einen in den Nebel der Wolken gehüllten Bergwald. Auf dem Weg halte ich oft an, um Blumen, Tiere und Bäume genauer zu betrachten. Die Natur ist kraftvoll und wunderschön. Sie strahlt eine tiefe Ruhe aus.

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