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"Väter müssen aus dem Schatten der Mütter treten!"


Gleichberechtigung - Väter müssen aus dem Schatten der Mütter treten!Bild: © Monkey Business-Fotolia.com

Väter sind genauso wichtig wie Mütter. Das sagt eine bekennende Feministin: Barbara Streidl hat eine Streitschrift für Väter verfasst. Warum sie sich so vehement für die Gleichberechtigung an Wickel- und Küchentisch einsetzt, darüber sprach sie mit Ralf Ruhl.


Frau Streidl, Sie sind Mitautorin des Bestsellers "Wir Alphamädchen". Sind Sie jetzt eine Alpha-Mutter?

Oh nein, sicher nicht. Das Wortspiel mit den Alphamädchen - in Anlehnung an die Alphamännchen - war polemisch und als Euphemismus gemeint. Es sollte zeigen, dass es endlich an der Zeit ist, Frauen wirklich gleichberechtigt zu behandeln. Als Mutter will ich ganz sicher nicht alpha sein, immer nach einem Master-Plan vorgehen und meinen Kindern immer zeigen, welches der allerbeste Weg ist. Ich will auch mal nur das Zweitbeste für sie, entscheide aus dem Bauch heraus - und gebe ihnen die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen eigene Erfahrungen zu machen. Denn wer immer nur das Beste will, kann dabei das Kind aus den Augen verlieren. Und dass eine Mutter nicht immer alles absolut richtig macht, das versteht sich von selbst - Fehler gehören einfach dazu. Ich möchte als Mutter meinen individuellen Weg gehen - und den gehe ich mit dem Vater meiner Kinder zusammen.

Die Alles-ist-möglich-Doktrin schadet allen


Als bekennende Feministin veröffentlichen Sie jetzt eine Streitschrift für Väter...

Ich habe mich immer für eine Welt eingesetzt, in der niemand benachteiligt wird aufgrund seines Geschlechts. Und es waren bis jetzt fast immer Frauen, die zurückgesteckt haben, wenn die Kinder kamen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber auch für Männer ein schwerer Rucksack, und es liegt mir ebensowenig daran, dass sie da zurückstecken. Ich sage nicht: "Männer, jetzt sind mal die Frauen dran, setzt euch auf die Ersatzbank." Im Gegenteil, ich möchte Brücken bauen zwischen den Geschlechtern, die allen zugutekommen. Ich weise auf patriarchale Strukturen hin, die Einzelne schwächen, Frauen wie Männer. Heute gilt diese Alles-ist-möglich-Doktrin. Wenn man es nicht schafft, ein paar Wochen nach der Geburt eines Kindes wie ein Model auszusehen und Vollzeit zu arbeiten, dann wird das als persönliches Versagen angesehen. Für Väter gilt das auch: Was, du nimmst nur zwei Partnermonate, bist nicht im Elternbeirat, gehst nicht jeden zweiten Nachmittag mit den Kindern auf den Spielplatz? Väter sind extrem wichtig - für ihre Kinder und für ihre Partnerin. Sie sollten nicht in den Schatten der Mutter gestellt werden, und sie sollten ebensowenig wie Mütter strukturell darunter leiden, dass sie Kinder haben.

Wer lässt denn Väter nicht Väter sein?

Viele Unternehmen wollen jetzt mit Familienfreundlichkeit punkten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Bereits das zeigt, dass diese Maßnahmen nur ein Mittel zu einem anderen Zweck sind. Und oft gelten sie in der Realität nur für Frauen. Es gibt immer noch viele Chefs, die mit den Augen rollen und es negativ sanktionieren, wenn Männer in Elternzeit gehen wollen, vor allem, wenn es mehr als die zwei Partnermonate sind. Auch politisch ist die Vereinbarkeitsdebatte auf Frauen zentriert. Es kann aber nicht funktionieren, wenn nur die Wünsche eines Geschlechts berücksichtigt werden. Männer müssen mitreden, müssen ihr Leben mit Kindern, Partnerin und Arbeit so gestalten können, wie es für sie gut ist. Und dann gibt es leider auch Mütter, die Väter an den Rand drängen und nicht zum Zuge kommen lassen, aus unterschiedlichen Gründen. Manche wollen, dass er alles so macht, wie sie es gerne hätten. Da frage ich mich: Wollen sie einen Butler oder einen Partner? Ja, und natürlich stellen sich auch viele Väter selbst ins Abseits. Manche wollen so Konflikten mit ihrer Partnerin und ihren Chefs aus dem Weg gehen, für andere passt das Kümmern um die Kinder nicht ins Selbstbild als Mann.

Auch nach einer Trennung sind Väter wichtig


Wie sieht für Sie der "gute Vater" aus?

Hmm... graublond, blauäugig, gut gebaut, er kann auch englische Kinderlieder auswendig und selbstverständlich im Dunkeln wickeln... Nein, DEN guten Vater gibt es nicht. Aber es gibt viele gute Väter. Jeder findet seinen individuellen Weg. Und es gibt immer den richtigen Vater fürs Kind.
Und nach der Trennung?

Da bleibt er selbstverständlich Vater! Auch wenn er eine neue Partnerin hat, gibt es ihn nur mit Kindern. Oft herrscht ja das Bild vor, ein Mann verlässt seine Partnerin, dann ist er wieder kinderloser Single. Oder dass er nach der Trennung nur eine Randfigur und höchstens gut für gelegentliche Besuche ist. Das ist falsch! Vater sein nach der Trennung - das ist eine große Herausforderung. Aber es muss endlich gesellschaftlich anerkannt und ermöglicht werden, dass Väter auch dann eine wichtige Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, wenn sie nicht mit ihnen zusammen wohnen.

Wofür brauchen Kinder Väter am meisten?

Kinder brauchen ihren Vater in jeder Entwicklungsphase. Sie brauchen ihn immer, von der Geburt an bis weit über die Pubertät hinaus. Und wofür - da geht es um die individuellen Bedürfnisse. Manche wollen einen Vorlesepapa, andere einen Tobepapa. Und selbstverständlich ist es auch wichtig, was der Vater gern mit seinem Kind und für es tut - und dann spielt natürlich auch die Persönlichkeit der Mutter eine Rolle. In jedem Fall ist er derjenige, der auch da ist, da sein sollte. Jedes Kind braucht eine zweite Person - zusätzlich zur Mutter.

Klischee-Bilder im Kopf erzeugen Wirklichkeit


Was machen Väter anders?

Bei den meisten Menschen stellen sich beim Thema "Vater" sofort Bilder ein: vom Fußballspielen, Fahrrad reparieren, im Wald eine Hütte bauen. Der ganze "Care-Kosmos" ist in diesen Bildern für die Mütter reserviert. Die kuscheln, kochen und kümmern sich. Für die Väter bleibt der Rest, das was Frauen ungern erledigen, vom Rasenmähen bis zum Computer einrichten. In solchen Bildern sind wir immer noch sehr rückwärtsgewandt. Aber Väter können auch vorlesen und trösten, Mütter können auch konstruieren und toben. Und jeder macht es auf seine Weise, vielleicht anders als der Partner oder die Partnerin. Das ist gut für das Kind, es gibt ihm Anregungen und zeigt, dass es nicht nur einen Weg gibt.

Was muss geändert werden, damit Väter Väter sein können?

Politisch gibt es schon einige Forderungen, die es Männern leichter machen, in der Familie anwesend zu sein. Zum Beispiel, dass zur Berechnung des Elterngelds nicht das jeweils individuelle Einkommen, sondern das Familieneinkommen herangezogen wird. Dann wäre mit der Auszeit von Papa nicht die Angst vor Verarmung gekoppelt. Und die verkürzte Vollzeitarbeit für Familien, die die "Rush-Hour des Lebens" entzerren könnte und vielen Vätern überhaupt eine Anwesenheit in der Familie ermöglicht zu Zeiten, in denen die Kinder noch wach sind. Ganz grundsätzlich müssen aber wir alle, die gesamte Gesellschaft, verstehen, dass der Vater auch zum Kind gehört. Dass Mama nicht die Hauptbezugsperson und Papa der Ersatzmann ist. Väter müssen aus dem Schatten der Mütter heraustreten.

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