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16.05.2011 16. Woche
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Arbeit, Arbeit und kein Ende; im Café mit fünf Müttern; Finn und die Hausaufgaben; Sonnenbräune in England
Verzeiht mir bitte, liebe Leser, denn heute kommt mein Blog-Eintrag einen Tag später. Am Wochenende hatte ich so viel zu tun, dass ich einfach nicht zum Schreiben kam. Derzeit ist meine Frau auch verstärkt im Einsatz und arbeitet montags und freitags – also die Tage an denen sie sonst frei hat – für das Institute of Education. Für unsere Finanzen ist das zwar ein Segen, aber es heißt auch, dass ich mehr Zeit mit den Jungs verbringe und meine Arbeit in die wenigen verbleibenden Freiräume quetschen muss.

Die einzige Deadline in der letzten Woche war am Wochenende, genauer gesagt am Sonntag. Ich sollte eine Geschichte für taz.de über die neue Spy-Software der Londoner Polizei schreiben. Ein spannendes Thema, aber auch eines in das man sich gut einlesen muss, damit es keine Flüchtigkeitsfehler gibt. Außerdem kam am Sonntag zum ersten Mal Finns neuer Freund Fred zu Besuch. Freds Eltern stammen aus einem afrikanischen Land und leben in einer Sozialwohnung in Hackney. Was sie beruflich machen weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall mag Finn Fred und umgekehrt. Anfänglich war Fred, der einen ganzen Kopf größer ist als Finn, ein bisschen schüchtern. Er schien sich am Sonntag auch nicht ganz wohl zu fühlen, denn auf dem Nachhauseweg wollte er meine Hand halten und meinte, er sei ein bisschen schlapp. Nun ja, trotzdem war es ein schöner Nachmittag mit Videospielen, Fußball im Garten und leckeren Hamburgern, die meine Frau zubereitet hatte.

Sue und Josh waren nach dem Mittagessen (Rühreier) ins Kino gegangen, um sich den neuen Superhelden-Film „Thor“ anzuschauen. Ich bin ein großer Fan von Superhelden-Filmen (außer Superman, den ich ziemlich dämlich finde), und so versuchte Josh mir hinterher die Handlung in groben Zügen zu erklären. Am liebsten macht er das, während er auf dem Klo sitzt, wenn ich in der Badewanne liege. Aus irgendeinem Grund muss es Josh sehr viel Spaß machen, aufs Klo zu gehen, während ich ein Bad nehme. Vielleicht unterhält er sich gerne und verrichtet gleichzeitig sein Geschäft? Ich erinnere mich vage an einige Thor-Comic-Hefte aus meiner Jugend, aber die Handlung des Films verstand ich trotzdem nicht. „Thor“ ist übrigens in UK mit der Altersfreigabe 12a versehen worden. 12a bedeutet, dass der Streifen auch von jüngeren Kindern gesehen werden kann, allerdings nur im Beisein ihrer Eltern. Ein guter Kompromiss wie ich finde.

Finn und ich waren Zuhause geblieben, um Fred abzuholen. Vorher musste Finn noch seine Hausaufgaben machen. Zum Glück waren sie diese Woche nicht so schwer, denn er kämpft manchmal ganz arg mit seinen Hausaufgaben. Vor allem logisches Denken fällt ihm schwer. Diesmal klappte es aber fast reibungslos, denn er sollte die Nährwerte von verschiedenen Lebensmitteln aufschreiben und dann erklären, welche besonders nährreich sind und welche nicht. Ich muss gestehen, ich versuche wirklich geduldig mit ihm zu sein, aber das ist gar nicht so einfach.

Obwohl Finn insgesamt in punkto Schule große Fortschritte gemacht hat. In den ersten Schuljahren weinte Finn oft nur, vor allem wenn es um die Mathehausaufgaben ging. Das war eine echte Geduldsprobe, er tat mir auch oft sehr Leid. Am liebsten hätten Sue und ich ihm die Tortur erspart, aber das wäre auf Kosten seiner Schulbildung gegangen. Auch das Schreiben fiel ihm anfangs recht schwer (auch ein typisches Asperger-Symptom), aber inzwischen klappt es gut. Ich denke schon, dass Finn Abitur machen kann und wird – mit ein bisschen Unterstützung. Was mir allerdings viel mehr Sorgen bereitet ist, was er nach der Schule mit sich anfangen soll. Wird er in der Lage sein, an die Uni zu gehen zu? Und was wenn nicht? Ich versuche mir über solche Dinge nicht den Kopf zu zerbrechen, aber es beschäftigt mich natürlich doch.

Von Samstag und Sonntag abgesehen, verlief die Woche planmäßig. Das Wetter war so gut, dass wir jeden Tag von der Schule zu Fuß nach Hause gehen konnten. Die Sonne schien bei uns in den letzten Wochen so oft, dass beide Jungs sogar ein bisschen braun wurden. Sich in England Sonnenbräune zuzulegen ist wirklich schwierig. Nicht das mich das besonders reizen würde, denn es soll ja sowieso nicht so gesund sein. In meiner Jugendzeit war das alles noch ganz anders. Damals gehörte es absolut zum guten Ton, im Sommer schön braun zu sein. Die Leute verbrachten Stunden damit, sich von oben bis unten mit Sonnencreme einzuschmieren, und sich in der Mittagshitze stundenlang von glühenden Sonnenstrahlen rösten zu lassen. Ein brauner Teint war eben ein Zeichen von Gesundheit. Wie sich die Zeiten doch ändern!

Am Freitagmorgen wurde ich, nachdem ich die Jungs in der Schule abgeladen hatte, von einigen Müttern mit denen Sue befreundet ist, zum Kaffee eingeladen. Ich bin schon öfter eingeladen worden, aber gehe nicht immer mit. Ein bisschen komisch ist es doch, als Mann mit fünf Frauen ins Café zu gehen – oder geht es nur mir so? Aber an diesem Freitag war ich guter Dinge und dachte mir: warum nicht? Ich habe auf Väterzeit gelesen, dass manche Dads in Deutschland Berührungsängste bei Müttern festgestellt haben, wenn sie ihre Kinder in die Schule bringen. Davon habe ich bislang hier nur wenig bemerkt, allerdings ist London nicht unbedingt repräsentativ für den Rest Großbritanniens. Im Café war es sehr lustig, obwohl Frauen natürlich andere Themen drauf haben als Männer. Fußball und Autos kamen nicht zur Sprache. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war es sehr unterhaltsam. Vielleicht sollte ich öfter mit anderen Müttern einen Kaffee trinken gehen?

Diese Woche steht übrigens ein schwieriger Finn-Termin ins Haus. Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen mit Finns Lehrerin Michelle und Carly, die an der Schule für die Kinder mit Lernbehinderungen zuständig ist. Bei dem Treffen geht es um Finns Fortschritt in der Schule und was man noch tun könnte, um ihn zu unterstützen. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt ist das manchmal ein Spießrutenlauf. Die ersten Treffen waren ein Trauerspiel. Meine Frau weinte jedes Mal, denn es ist doch nicht leicht zu akzeptieren, dass Finn Probleme hat in Bereichen, die den meisten anderen Kindern leicht von der Hand gehen.

Zunächst waren das in erster Linie soziale Schwierigkeiten, wie sich in die Gemeinschaft einzufügen und Freundschaften mit anderen Kindern zu schließen. In den ersten Jahren verging kaum eine Woche in der Finn nicht irgendwo aneckte, und obwohl es bekannt war, dass er autistisch ist, zeigten nicht alle Eltern Verständnis. Auch von Seiten der Lehrer war die Unterstützung zunächst mäßig. Solche Dinge brauchen eben ihre Zeit. Inzwischen klappt es aber hervorragend und Finn fällt nur noch ganz selten aus der Rolle. Bei den aktuellen Treffen geht es eher darum sicherzustellen, dass er im Unterricht mitkommt und ihm entsprechende Hilfestellung anzubieten, wenn nicht. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass ich mich auf das Treffen freue.

Nun will ich aber den Blog-Eintrag nicht Trübsal blasend beenden und aus diesem Grund noch eine kleine Anekdote beisteuern ... jetzt habe ich mir eine Stunde lang den Kopf zerbrochen, aber mir will ums Verrecken keine Anekdote einfallen. Also beschließen wir diesen Eintrag doch einfach mit der Feststellung, dass ich und mein Gedächtnis nicht jünger werden.

Ich wünsche eine schöne Woche,

Frank

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Kommentare von Lesern:

 
Vollzeitvater:
23.05.2011 10:57
Das war wohl eine anstrengende Woche, da kann es mit den Anekdoten schon mal schwierig werden. Aber immer dran denken: Kinder haben ist AUCH schön. ;)
Der Spruch ist zwar geklaut, passt aber super zu einer harten Woche.
Frank, London:
19.05.2011 14:52
Ups, hab' eben zu schnell auf den Knopf gedrückt. Der Kommentar unten ist von mir.
Gast:
19.05.2011 14:51
Ach naja, es nervt ein bisschen, aber ich find's auch ganz witzig. Ist eben kindlicher Überschwang. Meine Frau ist nicht eifersüchtig, sie ist mit den meisten anderen Mamas befreundet. Allerdings bin ich doch einmal ins Fettnäpfchen, als ich eine der Muttis fragte, ob wir nicht auf ein Oldie-Konzert wollten – es kam nie dazu, aber seitdem weiß ich wo die Grenze ist.
Volker aus Kassel:
18.05.2011 16:14
Klo-Gespräche - nerven die dich nicht? Ich finds immer anstrengend, wenn meine Kids reinkommen wenn ich mal in der Badewanne relaxe... Was sagt deine Frau zu den Mütterkontakten? Meine ist eifersüchtig, wenn ich auf dem Spielplatz andere Mamas kennen lerne ;-) Schöne Woche!

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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