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16.09.2010 9. Woche
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Zeit für mich

Ich komme an und genieße die Zeit fernab vom Familienalltag.
Ich bin jetzt schon seit zwei Wochen in Rishikesh. Und ich nutze die Zeit, für all das was im Familienalltag zu Hause allzuoft zu kurz kommt. Meine Tage sind ausgefüllt. Ich übe die Bansura (indische Bambusflöte) zu spielen. Ich mache Yoga an den Ufern des Ganges und beginne den Tag mit einer Morgenmeditation. Ich nehme mir Zeit Hindi zu lernen und komme sogar wieder dazu zu malen.

Die auslaendischen Touristen in Rishikesh bleiben im Angesicht der Massen indischen Pilger eine kleine Minderheit. Ich bin gern an den Orten, wo Einheimische, indische Pilger und Ausländer sich mischen. Oft sprechen wir ein Mischmasch aus Hindi und Englisch.

Der Ashram in dem ich lebe, ist so ein Ort. Das ist ein Platz voller Geschichten, Rituale und Geheimnisse. Jeden Tag nehme ich ein klein wenig mehr davon wahr. Es gibt dort viele Zimmer, Säulengänge und einen blühenden Innenhof. In der Mitte des Gartens wurde eine große Yogahalle errichtet. Erst nach einigen Tagen habe ich einen zweiten Meditationsraum ober unter dem Dach entdeckt. Nach einer Woche fand ich die Meditationshöhlen im Keller der Anlage.

Dort wohnt ein junger sympatischer Sadhu. Er meditiert den ganzen Tag und verehrt Shiva mit komplizierten Ritualen. Wenn er nicht durch die Berge des Himalaya wandert, wohnt er in dieser Höhle unter dem Ashram.

Vor dem Gebäude gehen die Treppen weitläufig zum Ganges hinunter. Oft schlafen Kühe auf den breiten Stufen der Treppen. Es ist das ruhigste Ghat in ganz Rishikesh. Einsam ist es nicht. Mindestens 15 Sadhus kampieren hier und rauchen ein Chillum nach dem anderen.

Ich sitze in jeder Nacht vor dem Schlafengehen auf den Stufen, schaue zu den Sternen und spiele die Bansura. Die Töne vermischen sich wunderbar mit dem Rauschen des Ganges.

Die Mischung von Menschen, die im Ashram leben, ist einmalig. Ich habe mich mit Rajiv angefreundet. Er lebt eigentlich in Delhi und kam eher zufällig hier her. Seitdem verbringt er jeden freien Tag hier. Ich liebe es, wie herzlich Rajiv den Menschen begegnet. Häufig dominieren Klassen- und Kastenunterschiede die sozialen Interaktionen der Menschen in Indien. Rajiv scheinen sie fremd zu sein. Im Austausch mit Rajiv wird aber auch deutlich, wie unterschiedlich unsere kulturelle Prägung ist. Wir können darüber lachen.

Die grundsätzliche Verschiedenheit der Chancen und Möglichkeiten der Menschen ist auch hier allgegenwärtig. Für den Fremden erscheint sie oft als unfassbare Ungerechtigkeit. Ich habe mit dieser Erfahrung die prinzipielle Chancengleichheit der Menschen, die es dort wo ich herkomme doch zumindest als ideellen Wert gibt, als wertvolle Lebensqualität zu schaetzen gelernt.

Der Koch des Ashrams ist ein gutes Beispiel: Er heißt Tipu und hat eine kleine Tochter die gerade laufen lernt. Abends hat er es eilig nach Hause zu kommen, bevor die Kleine ins Bett geht. Er verdient etwa einen Euro und 35 Cent am Tag. Das Einkommen der allermeisten Menschen in Indien liegt bei einem Euro und einigen Cents pro Tag. Viele arbeiten dafür den ganzen Tag lang hart.

Wenn ich mit Johanna und Noa telefoniere gebe ich dafür ein Vielfaches aus. Natürlich gibt es auch viele Inder die sehr viel Geld haben. Die Relationen sind dabei das Verrückte. Es ist völlig normal, dass der Eine für sein Frühstueck soviel ausgiebt, wie der Koch in zwei Tagen verdient.

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Kommentare von Lesern:

 
jomonky, Ennepetal:
21.09.2010 21:23
Ich stimme Wieland zu. Schade, dass sein Blog jetzt vorbei ist u. wir hier Deinen Egotrip folgen müssen...
Wieland, Kassel:
19.09.2010 16:36
Hallo Nils,

bei allem Respekt für Dein Engagement und Dein Vorhaben, denkst Du hier doch nur an Dich. Entschuldigung, wenn ich so ehrlich und direkt bin, aber für mich ist es purer Egoismus, das Du in Indien geblieben bist. Du möchtest Deinem Traum und Wunsch nachgehen. Deiner Verpflichtung als Vater und Mann kommst Du dabei in keinster Weise nach. Und wenn ich dann in Deinem letztenEintrag den Zusatz "hoffentlich" lese und damit wohl zum Ausdruck bringen willst, das es nicht garantiert ist, das Deine Tochter Dich später noch kennt oder erkennt, puuhhh, so wird mir bei dem Gedanken daran echt übel. Mein Herz würde es nicht aushalten, meine Kinder so lange oder gar überhaupt nicht mehr zu sehen. Ich bedaure Dich, das Du nicht miterleben kannst, wie Deine Tochter aufwächst, wie Sie sich entwickelt, wie jeden Tag wieder etwas Neues dazu kommt. Wobei ich ehrlich gesagt auch nicht den Eindruck habe, das Du das überhaupt willst. Ich muss mich leider wiederholen und Dir sagen, das für mich der Eindruck entsteht, das Du rein Deinen puren und egoistischstem Wünschen und Träumen nachgehst und Dich jedweder Verantwortung entziehst. Du spielst lieber "Flöte" und schaust dem Wasserlauf des Ganges nach, als Dich um die Existens Deiner Tocher z kümmern.

Sorry, ich musste das los werden, da es mich schon mehr als eine Woche beschäftigt.