"Männer sind auch in den Krippen erwünscht!"
Bild: © Jürgen Fälchle - Fotolia.de
In vielen Kinderkrippen grassiert die Angst vor sexuellen Übergriffen durch männliche Erzieher. Zum Teil geht das so weit, dass Männer in der Einrichtung die Kinder nicht wickeln dürfen. Was von solchen Maßnahmen zu halten ist und wie ein Konzept für den respektvollen Umgang mit dem Körper aussehen kann, darüber sprach Ralf Ruhl mit der Krippenexpertin Annette Drüner.
Kinder freuen sich auf Männer
Die Kampagne "mehr Männer in Kitas" war ein großer Erfolg. Der Anteil insbesondere der jungen männlichen Erzieher stieg deutlich. Wie sieht das in den Krippen aus?
Annette Drüner: Da ist der Männeranteil noch sehr gering. Die Kinder aber wollen unbedingt männliche Bezugspersonen und zeigen das auch. Diese Freude auf und über Männer ist bei den Kolleginnen, den in der Regel weiblichen Erzieherinnen, längst nicht in dem Maße spürbar. Aber da vollzieht sich ein Wandel. Sie sind jetzt stärker akzeptiert als noch vor zehn Jahren.
Es gibt ja gerade in Krippen Vorurteile gegen Männer, auch aus der Elternschaft. Teilweise hat das dazu geführt, dass männliche Erzieher die Kinder in der Einrichtung nicht wickeln dürfen.
Da ist das überholte alte Männerbild vorhanden, das den Mann als Gewalttäter und potentiellen Missbraucher sieht. Da werden Männer unter Generalverdacht gestellt - auch, um die eigenen negativen Anteile der Frauen zu verdecken. Generalverdacht gegen Männer bedeutet auf der anderen Seite Generalamnestie für Frauen. Das ist aber letztendlich nichts anderes als Sexismus: Das eine Geschlecht wird als gut, liebevoll und friedfertig dargestellt, das andere als böse und gewalttätig. Das ist nicht nur falsch und geht an den Bedürfnissen der Kinder vorbei. Es führt auch zu einer rückwärtsgewandten traditionellen Arbeitsteilung, die allein Frauen für erzieherische und betreuende Berufe für fähig hält, sie damit auf diese Berufe festlegt und Männer aus diesem Bereich fern hält.
Annette Drüner: Da ist der Männeranteil noch sehr gering. Die Kinder aber wollen unbedingt männliche Bezugspersonen und zeigen das auch. Diese Freude auf und über Männer ist bei den Kolleginnen, den in der Regel weiblichen Erzieherinnen, längst nicht in dem Maße spürbar. Aber da vollzieht sich ein Wandel. Sie sind jetzt stärker akzeptiert als noch vor zehn Jahren.
Es gibt ja gerade in Krippen Vorurteile gegen Männer, auch aus der Elternschaft. Teilweise hat das dazu geführt, dass männliche Erzieher die Kinder in der Einrichtung nicht wickeln dürfen.
Da ist das überholte alte Männerbild vorhanden, das den Mann als Gewalttäter und potentiellen Missbraucher sieht. Da werden Männer unter Generalverdacht gestellt - auch, um die eigenen negativen Anteile der Frauen zu verdecken. Generalverdacht gegen Männer bedeutet auf der anderen Seite Generalamnestie für Frauen. Das ist aber letztendlich nichts anderes als Sexismus: Das eine Geschlecht wird als gut, liebevoll und friedfertig dargestellt, das andere als böse und gewalttätig. Das ist nicht nur falsch und geht an den Bedürfnissen der Kinder vorbei. Es führt auch zu einer rückwärtsgewandten traditionellen Arbeitsteilung, die allein Frauen für erzieherische und betreuende Berufe für fähig hält, sie damit auf diese Berufe festlegt und Männer aus diesem Bereich fern hält.
Festlegung auf traditionelle Tätigkeitsbereiche
Ist das nicht auch ein Schutz für die männlichen Erzieher?
In einigen Krippen wird den Männern empfohlen, beim Wickeln die Tür offen zu lassen oder nicht allein mit einem Kind im Wickelraum zu sein. Das ist als Schutz der Männer vor dem Verdacht auf Missbrauch gedacht, soll aber auch die Einrichtung vor einem solchen Verdacht schützen. Als Konzept für den Umgang mit der Körperlichkeit der Kinder ist das natürlich völlig ungeeignet.
Wie reagieren die Männer darauf?
Sehr unterschiedlich. Mir sind persönlich einige Männer bekannt, die aufgrund dieses Vorbehalts und der ungenügenden Rückendeckung durch die Leitung der Krippe ihren Job aufgegeben haben. Andere reagieren eher pragmatisch, sagen "der Vorwurf trifft mich nicht, den Generalverdacht lasse ich nicht an mich ran" und arbeiten weiter wie gehabt. Daraus spricht einerseits eine Reflexion des Themas, auf der anderen Seite aber auch eine deutliche Naivität. Die Einschätzung der Männer hängt sehr davon ab, ob sie gute oder schlechte Erfahrungen in den Teams, mit der Leitung und den Eltern gemacht haben, ob die ihnen positiv begegnet sind oder nicht.
Was bedeutet es für die Kinder, wenn der Mann vom Wickeltisch ausgesperrt ist?
Zweijährige Kinder denken darüber natürlich nicht nach, ob sie von einer Erzieherin oder einem Erzieher gewickelt werden. Aber als Erfahrung speichern sie es selbstverständlich ab, wer wofür zuständig ist. Sie bekommen ausgesprochen früh geschlechtsspezifische Unterschiede mit und die integrieren sie dann etwa mit drei Jahren in ihre Geschlechtsidentität. Und zwar nachhaltig.
In einigen Krippen wird den Männern empfohlen, beim Wickeln die Tür offen zu lassen oder nicht allein mit einem Kind im Wickelraum zu sein. Das ist als Schutz der Männer vor dem Verdacht auf Missbrauch gedacht, soll aber auch die Einrichtung vor einem solchen Verdacht schützen. Als Konzept für den Umgang mit der Körperlichkeit der Kinder ist das natürlich völlig ungeeignet.
Wie reagieren die Männer darauf?
Sehr unterschiedlich. Mir sind persönlich einige Männer bekannt, die aufgrund dieses Vorbehalts und der ungenügenden Rückendeckung durch die Leitung der Krippe ihren Job aufgegeben haben. Andere reagieren eher pragmatisch, sagen "der Vorwurf trifft mich nicht, den Generalverdacht lasse ich nicht an mich ran" und arbeiten weiter wie gehabt. Daraus spricht einerseits eine Reflexion des Themas, auf der anderen Seite aber auch eine deutliche Naivität. Die Einschätzung der Männer hängt sehr davon ab, ob sie gute oder schlechte Erfahrungen in den Teams, mit der Leitung und den Eltern gemacht haben, ob die ihnen positiv begegnet sind oder nicht.
Was bedeutet es für die Kinder, wenn der Mann vom Wickeltisch ausgesperrt ist?
Zweijährige Kinder denken darüber natürlich nicht nach, ob sie von einer Erzieherin oder einem Erzieher gewickelt werden. Aber als Erfahrung speichern sie es selbstverständlich ab, wer wofür zuständig ist. Sie bekommen ausgesprochen früh geschlechtsspezifische Unterschiede mit und die integrieren sie dann etwa mit drei Jahren in ihre Geschlechtsidentität. Und zwar nachhaltig.
Ein Konzept für den respektvollen Umgang mit dem Körper
Ab wann wird ein normaler körperlicher Umgang mit dem Kind zum Übergriff?
Kinder übertragen den Umgang, den sie zum Beispiel in der Familie vorgelebt bekommen, auf den Umgang mit Erwachsenen, also auch den Erzieherinnen und Erziehern. Die Kinder fordern von sich aus Berührungen ein, klettern auf den Schoß, geben auch Küsschen usw. Im Team muss man das genau diskutieren mit Männern und Frauen - und dann festlegen und genau definieren: Wo sehen wir die Grenze, wie können wir körperlich mit den Kindern umgehen und wo ist die Grenze überschritten.
Das Team braucht also ein Konzept für den respektvollen Umgang mit den Kindern?
Genau. Der körperliche Umgang jenseits von klarer Gewalt muss sorgfältig diskutiert werden. Ein daraus resultierendes Konzept ist unbedingt nötig als Schutz vor Missbrauch, aber auch, um klar zu haben, was gehört in die Krippe, was gehört ins Elternhaus.
Wo ist da für Sie die Grenze?
Küsschen geben, auch beim Wickeln Küsschen auf den Bauch - das ist für mich ein Übergriff. Jede Zärtlichkeit ist nur mit dem Einverständnis des Kindes und ohne Beteiligung von eigenen erotischen Gefühlen in Ordnung.
Kinder übertragen den Umgang, den sie zum Beispiel in der Familie vorgelebt bekommen, auf den Umgang mit Erwachsenen, also auch den Erzieherinnen und Erziehern. Die Kinder fordern von sich aus Berührungen ein, klettern auf den Schoß, geben auch Küsschen usw. Im Team muss man das genau diskutieren mit Männern und Frauen - und dann festlegen und genau definieren: Wo sehen wir die Grenze, wie können wir körperlich mit den Kindern umgehen und wo ist die Grenze überschritten.
Das Team braucht also ein Konzept für den respektvollen Umgang mit den Kindern?
Genau. Der körperliche Umgang jenseits von klarer Gewalt muss sorgfältig diskutiert werden. Ein daraus resultierendes Konzept ist unbedingt nötig als Schutz vor Missbrauch, aber auch, um klar zu haben, was gehört in die Krippe, was gehört ins Elternhaus.
Wo ist da für Sie die Grenze?
Küsschen geben, auch beim Wickeln Küsschen auf den Bauch - das ist für mich ein Übergriff. Jede Zärtlichkeit ist nur mit dem Einverständnis des Kindes und ohne Beteiligung von eigenen erotischen Gefühlen in Ordnung.
Ein ‚Nein’ des Kindes akzeptieren lernen
Das Thema "dürfen Männer wickeln?" wird ja häufig von Eltern eingebracht. Wie kann die Krippe einen solchen Konflikt zwischen Eltern und Team lösen?
Wenn das Team ein klares Konzept hat, dann kann es das auch den Eltern vermitteln. Dabei sollte deutlich werden, dass es hier nicht um Männer und Frauen geht, sondern um respektvollen Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern. Wenn man den Kindern Raum lässt, Geduld hat, ein ‚Nein’ akzeptiert - das ist der beste Schutz vor Missbrauch. Das Kind hat ein Recht darauf, auch bei den kleinsten Pflegehandlungen ‚ja’ oder ‚nein’ zu sagen. In Fortbildungen oder Teamtagen lässt sich ein solches Pflegekonzept erarbeiten und erproben. Und das kann man dann guten Gewissens den Eltern vorstellen.
Auch Babys und Kleinkinder haben also den Wunsch nach einem Umgang mit ihrem Körper, der sich gut anfühlt. Wie kann das im Alltag der Krippe gelebt werden?
Dafür braucht es selbstverständlich einen guten Personalschlüssel. In Niedersachsen liegt der momentan bei 1:7,5. Seit Neuestem kann bei mehr als elf Kindern in der Gruppe eine "Dritte Kraft" eingesetzt werden, aus Kostengründen meist eine Sozialassistentin, natürlich nur in Teilzeit bis zu 20 Stunden. Entsprechende Ausbildung und möglichst Erfahrung sind hier nötig, darauf wird aber selten geachtet, weil alle Einrichtungen händeringend Erzieher und Erzieherinnen suchen. Mit diesem Personalschlüssel ist eine solche Erziehung zur respektvollen Körperlichkeit nicht zu machen. Namhafte Professorinnen und Professoren fordern seit langem einen Personalschlüssel von 1:3. Aus- und Weiterbildung müssen auf einem hohen Niveau gewährleistet sein, damit bewusste und respektvolle Erziehung und Pflege auch wirklich umgesetzt werden können.
Mit Annette Drüner sprach Ralf Ruhl
Wenn das Team ein klares Konzept hat, dann kann es das auch den Eltern vermitteln. Dabei sollte deutlich werden, dass es hier nicht um Männer und Frauen geht, sondern um respektvollen Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern. Wenn man den Kindern Raum lässt, Geduld hat, ein ‚Nein’ akzeptiert - das ist der beste Schutz vor Missbrauch. Das Kind hat ein Recht darauf, auch bei den kleinsten Pflegehandlungen ‚ja’ oder ‚nein’ zu sagen. In Fortbildungen oder Teamtagen lässt sich ein solches Pflegekonzept erarbeiten und erproben. Und das kann man dann guten Gewissens den Eltern vorstellen.
Auch Babys und Kleinkinder haben also den Wunsch nach einem Umgang mit ihrem Körper, der sich gut anfühlt. Wie kann das im Alltag der Krippe gelebt werden?
Dafür braucht es selbstverständlich einen guten Personalschlüssel. In Niedersachsen liegt der momentan bei 1:7,5. Seit Neuestem kann bei mehr als elf Kindern in der Gruppe eine "Dritte Kraft" eingesetzt werden, aus Kostengründen meist eine Sozialassistentin, natürlich nur in Teilzeit bis zu 20 Stunden. Entsprechende Ausbildung und möglichst Erfahrung sind hier nötig, darauf wird aber selten geachtet, weil alle Einrichtungen händeringend Erzieher und Erzieherinnen suchen. Mit diesem Personalschlüssel ist eine solche Erziehung zur respektvollen Körperlichkeit nicht zu machen. Namhafte Professorinnen und Professoren fordern seit langem einen Personalschlüssel von 1:3. Aus- und Weiterbildung müssen auf einem hohen Niveau gewährleistet sein, damit bewusste und respektvolle Erziehung und Pflege auch wirklich umgesetzt werden können.
Mit Annette Drüner sprach Ralf Ruhl
Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.