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Elterngeld: für Väter unsozial und ungerecht


Elterngeld: für Väter unsozial und ungerechtBild: greycoast-photocase.de

Wer als Vater gut verdient, geht in Elternzeit; wer wenig hat, kann sich die Vätermonate nicht leisten. Das ist ungerecht, aber gewollt. Denn das Elterngeld ist keine Sozialleistung.

Elterngeld – ein Plus für Gutverdiener


Das Elterngeld, insbesondere die den Vätern vorbehaltene Komponente, ist die Erfolgsgeschichte in der Geschlechter- und Sozialpolitik der letzten zehn Jahre. Über ein Drittel der Väter geht inzwischen für mindestens zwei Monate in Elternzeit, bei den Müttern sind es laut Statistischem Bundesamt knapp 100 Prozent. Das heißt: egal, wie viel sie vorher verdient haben, egal aus welcher sozialen Schicht sie stammen, egal wie hoch ihr Bildungsniveau ist – Mütter nehmen sich die Elternzeit.

Bei den Vätern sieht das anders aus. Elternzeit für Väter ist ein Mittelschichtsphänomen. Lehrer, IT-Fachleute, Großhandelskaufleute – hier scheint die Baby-Auszeit weder für die Männer, noch für die Arbeitgeber ein Problem zu sein. Das liegt an der Konstruktion des Elterngeldes: In der Regel ersetzt es 65% des Nettogehalts im Durchschnitt der letzten 12 Monate, selbstverständlich bereinigt. Bei geringen Einkommen kann es bis auf 67% steigen, wer kein Einkommen hat, bekommt den Sockelbetrag von 300 Euro.

Wer wenig hat, kann nicht zu Hause bleiben


Damit ist klar: Wer von 1500 Euro Nettogehalt eine mindestens dreiköpfige Familie unterhalten muss, kann es sich nicht leisten, auf ein Drittel seines Einkommens zu verzichten. Damit werden weniger gut verdienende Männer weiterhin auf die Rolle des Familienernährers festgelegt.

Einkommen der Väter vor ihrem Elterngeldbezug. Quelle: Destatis, Grafik: Väterzeit (für größere Ansicht auf das Bild klicken)

Die Tabelle zeigt: Drei Viertel der männlichen Elternzeiter verdienen mindestens 1500 Euro netto, ein großer Teil sogar deutlich mehr. Welcher Bauer kommt da schon ran? Welcher Gebäudereiniger oder Wachmann, welcher an- oder ungelernte Arbeiter, welcher Teilzeit-Sozialpädagoge? Wer gut verdient, kann sich also Elternzeit leisten. Und damit eine wichtige Voraussetzung für eine fürsorgliche Beziehung und sichere Bindung zu seinem Kind schaffen. Ganz nebenbei auch ein wenig Geschlechtergerechtigkeit und eine entsprechend bessere Beziehung zu seiner Lebenspartnerin. Denn das alles soll die Elternzeit ja bieten.

Schaut man sich die Entwicklung in den Jahren von 2008 bis 2012 an, wird die Schere noch größer. Zwar nahm, so eine Untersuchung von Stefan Reuyß vom Berliner Institut SowiTra, die Zahl der männlichen Elterngeldbezieher mit einem Nettoeinkommen von unter 1000 Euro um fast 50% zu. Eine äußerst erfreuliche Entwicklung, nebenbei bemerkt. Bei den Männern, die über 2000 Euro verdienten, lag die Zunahme jedoch bei fast 150%, war also fast dreimal so hoch.

Elterngeld zur Sozialleistung machen!


Ganz trist sieht es bei denen aus, die kein eigenes Einkommen erwirtschaften. Wer schon länger keine Arbeit hat, also Arbeitslosengeld II bekommt, hat nichts vom Elterngeld. Er ist zwar gezwungen einen Antrag zu stellen, das Elterngeld wird aber als Einkommen angesehen und auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. So schaufelt sich die Bürokratie das Geld von der einen in die andere Tasche, produziert Kosten und bei denen, die wirklich jeden Cent umdrehen müssen, kommt nichts an.

An dieser Stelle ist das Elterngeld übrigens ein Rückschritt gegenüber dem Erziehungsgeld, das bis 2007 gezahlt wurde. Denn das wurde zusätzlich zu den gewährten Sozialleistungen bezahlt.

Warum das so ist, hat mit der Geschichte des Elterngelds zu tun. In den 2000er Jahren war die Geburtenrate ständig gesunken, insbesondere gut ausgebildete Frauen wurden erst sehr spät oder gar nicht Mutter. Dem wollte man entgegensteuern, denn das sind die Leistungsträger der Gesellschaft. Und deren Gene sollen doch bitte fortgepflanzt werden (obwohl deren Einfluss auf Bildung und Berufsstatus bekanntermaßen deutlich geringer ist als der Einfluss der Zugehörigkeit zur sozialen Schicht). Also hat sich die Reform an ihren Bedürfnissen und ihrer sozialen Situation orientiert. Und die Geringverdiener haben offensichtlich keine Lobby.

Jedem Kind einen zugewandten Vater!


Kurz vor seinem zehnten Geburtstag wurde das Elternzeitgesetz geändert, das „Elterngeld Plus“ wurde eingeführt. Passend wiederum zur geänderten Lebenssituation junger Akademikerinnen. Verbessert wurden die Möglichkeiten, neben dem Elterngeldbezug zu arbeiten, sei es angestellt oder selbstständig. An den Zugangsvoraussetzungen und Berechnungsgrundlagen änderte sich nichts.

Um tatsächlich allen Müttern und Kindern die Chance auf einen familienorientierten Vater zu bieten, muss der Sockelbetrag erhöht werden und die Verrechnung mit anderen Sozialleistungen wegfallen. Zur Entlastung der unteren Einkommen, insbesondere der „Hartz-IV-Aufstocker“, sollte die Berechnungsquote auf 75% des letzten Nettoeinkommens steigen und ab einem Lohn von 1500 Euro abgeschmolzen werden. Dann könnte man jedenfalls ehrlich sagen, dass jedes Kind die Chance auf einen sich kümmernden Vater hat!

Ralf Ruhl

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