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16.07.2010 2. Woche
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Reisevorbereitungen und Kofferpacken

Ich bin glücklich, dass Noa nach einem Beinbruch wieder laufen lernt. Die Reisevorbereitungen gehen weiter. Was muss ich für ein Jahr Indien alles einpacken? Meine Tochter fragt nach "zu Hause". Und meine Frau lernt meine Eltern besser kennen, solange wir bei ihnen zu Besuch sind.
Noa läuft wieder. Ihr rechter Unterschenkel sieht mit den vielen Narben nicht so schlimm aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die letzte OP ist jetzt eine Woche her. Die Kleine humpelt noch, doch sie tanzt und rennt schon wieder so gut es geht. Ich bin glücklich sie so zu sehen.

In meinem Kopf spuken die Reisevorbereitungen. Langsam wird dort die Liste der Dinge vollständig, die ich in meinen Rucksack packen will. Und heute Abend habe ich schon mein elektronisches Reisegepäck zusammengesucht: Hindikurs als MP3, ein paar wichtige Programme, Musik, wissenschaftliche Literatur …

Noa ist zwar glücklich über ihre neu gewonnenen Freiheiten. Ich muss mich aber auch gut um sie kümmern. Sie schläft schlecht, braucht viel Zuwendung und jammert mitten am Tag nach ihrem Schnuller. Wahrscheinlich wird sie noch lange Zeit brauchen, bis sie die vielen Operationen, Impfungen und all die anderen Veränderungen vor unserer Reise wirklich verarbeitet hat.

Wir versuchen ihr soviel Kontinuität und Verlässlichkeit zu bieten wie möglich. Sie schläft jetzt in einem kleinen Zelt. Das ist ihr Reisebett. Und sie hat bald nur noch das Spielzeug, das wir auch mitnehmen. Wir haben beschlossen doch einen leichten Kinderwagen einzupacken. Niemand in ganz Indien benutzt einen Kinderwagen. Aber was hilft es: Noa kann mittags nur schlafen, wenn sie geschoben wird.

Wenn Noa nach „zu Hause“ fragt, glaube ich, dass sie etwas spiegelt, was Johanna und mich in dieser Zeit beschäftigt. Was ist jetzt unser zu Hause? Eine Wohnung haben wir nicht mehr, das Auto wird verkauft, und alle Sachen verschwinden nach und nach in Umzugskartons. Wenn wir dann wegfahren, und auch die vertraute Umgebung zurücklassen, wird unsere Familie, werden wir Drei füreinander ein zu Hause sein. Ein winziger Reisealtar, den wir überall da aufstellen, wo wir dann zu Hause sind, soll uns auch begleiten – mit einem Schutzengel für Noa, damit sie nie wieder so eine schlimme Verletzung erleidet.

Diese Woche verbringen wir bei meinen Eltern. Noa liebt ihre Großmutter. Ich bin hier selten länger als 2 oder 3 Tage. Langsam kommen Themen des Zusammenlebens an die Oberfläche. Johanna verliert die Idealvorstellungen, die sie sich von meiner Familie gemacht hat. Stattdessen findet sie ihre Lernaufgaben, damit wie sie sich hier einbringen und durchsetzen kann.

Meine Mutter geht anders mit Noa um als ich. Bei mir darf sie auch immer wieder Mal jammern und ihre Unzufriedenheit ausdrücken. Ich habe meine Tochter nicht immer im Blick, Ich freue mich, wenn sie allein loszieht. Und ich nehme in Kauf, wenn ich danach hier und da aufräumen muss. Dabei mache ich mir meistens wenig Sogen darum was dem Kind alles passieren könnte. Manchmal denke ich meine Mutter wird mit den Jahren mehr wie ihre Mutter. Dass die Dinge im Haus an ihrem Platz bleiben, ist ihr wichtiger als früher.

Meine Frau und ich haben uns in den letzten Wochen noch so einiges vorgenommen. Uns beiden ist es wichtig alte Freunde zu treffen. Wir packen, planen, organisieren, arbeiten und wechseln und mit Noa ab. Dabei haben wir kaum Zeit füreinander. Ich hoffe das wird bald anders, denn ich vermisse diese Zeit.

Die ganze letzte Woche habe ich genutzt, um meine Magisterarbeit zu überarbeiten. Gestern habe ich sie angegeben. Damit ist mein Studium zu Ende! Johanna, Noa und einige Freunde holten mich danach ab. Es gab Früchtekuchen und Champagner. Wir haben stundenlang geplaudert. Die Abschiedsrituale muss sich an der Uni jeder selbst organisieren. Viele meiner Freunde bekommen in dieser Zeit das erste Kind und ihre Welt verändert sich dabei. All die Kinder werden in einem Jahr so viel größer sein.

Ich bin froh über das heiße Wetter. Es ist die optimale Einstimmung auf die Tropen. In Delhi ist es jetzt nur 10 Grad heißer als hier. Meine Eltern wohnen ganz nah bei einem großen natürlichen See. Ich umrunde ihn jeden Tag einmal mit dem Rad. Danach gehe ich an der romantischen Badestelle eines kleinen Dorfes ans Wasser. Der See strahlt eine tiefe Ruhe aus. Ich habe ihn erst in den vergangenen Jahren richtig kennen gelernt. An dem schwankenden Steg bei den beiden alten Trauerweiden war ich schon viele Male allein und auch zusammen mit Noa. An diesen Ort möchte ich immer wieder zurückkehren.

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Kommentare von Lesern:

 
Wieland, Kassel:
25.07.2010 23:33
Hallo Nils,

ich bewundere Euren Plan und das Ihr Euren Traum leben könnt. Hoffentlich geht der kleinen Noa bald wieder richtig gut und nur ein paar Narben erinnern an diesen wohl schlimmen Unfall.

Das mit Deinen Eltern sowie Dein Verhalten gegenüber Noa kenne ich irgendwo her. Auch lasse unsere Tochter Nala gerne allein. Nicht das ich ganz weg wäre, aber ich nehme auch in Kauf, das ich eben später aufräumen muss.

Oma ist ungefähr genau wie Deine Mutter. Enkelkind ja, aber bitte keine Unordnung. Naja, Oma halt.

Ich bin sehr gespannt auf Deine weiteren Einträge. Wann genau soll es denn los gehen nach Indien?

Liebe Grüße

Wieland
Gottfried, Bingen:
22.07.2010 09:25
Hallo Nils,

komme grade von einer längeren Indienreise (v.a. Süden) zurück, mit meinen beiden älteren Söhnen. Da habe ich durch zufall Ihr Tagebuch gefunden und freue mich auf Ihre Berichte! Was hatte Ihre Tochter denn für einen schlimmen Unfall?

Gottfried