väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

19.12.2011 38. Woche
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Weihnachten in Tenby

Schufterei, Finn und Ferien, weiterführende Schule, Nervosität
Gerade hat ein reicher Industriebonze Bodie ein Glas Whiskey ins Gesicht geschüttet – ein Hochgenuss! Ich sitze im Wohnzimmer und schaue „Die Profis“ was im englischen Fernsehen immer mal wiederholt wird. Ich habe es damals schon gerne geschaut und schaue es immer noch gerne – auch wenn die Farben etwas blass sind. Eine kleine Auszeit, denn für Finn und Josh sind die Weihnachtsferien angebrochen. Und meine Frau hat auch frei, nur ich muss arbeiten und wie so oft gibt es in den Ferien besonders viel zu tun, denn das erste Motorradmagazin für 2012 muss bis Mitte Januar fertig sein.

Uff! Es ist mitunter ganz schön anstrengend zu schuften, wenn die Jungs zuhause sind. Und momentan kann ich auch nicht so oft ins Café gehen, weil unsere Kohle für Weihnachtsgeschenke drauf gegangen ist. Apropos Weihnachtsgeschenke: Wir haben uns schließlich entschieden zwei Roller zu kaufen, denn Finns Roller wurde vor einigen Tagen gestohlen. Das hatte auch sein Gutes, denn auf diese Weise mussten wir uns nicht den Kopf über ein Weihnachtsgeschenk für Finn zerbrechen. Immerhin etwas. Außerdem haben wir keine elektronischen Geschenke gekauft. Von den Rollern abgesehen waren es außerdem Bücher und Gesellschaftsspiele. Also ganz vernünftige und praktische Weihnachtsgeschenke, worüber ich mich sehr freue.

Es ist viel Zeit vergangen, seit meinem letzten Eintrag in das Vätertagebuch. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen hatte ich sehr viel zu tun, zum anderen hatte meine Frau vor den Ferien ebenfalls jede Menge zu tun. Sie musste alle möglichen Berichte schreiben und Elternabende besuchen. Das ist zeitraubend und ich bin dann noch öfter mit den Jungs alleine als sonst. Und jetzt ist Sue zwar zuhause, aber ich muss arbeiten. Arbeit ist das halbe Leben.

Am Donnerstag wird meine Frau mit den Jungs nach Wales fahren, weil meine Schwiegereltern in dem kleinen Örtchen Tenby ein Haus über Weihnachten gemietet haben. Ich komme am Samstag nach, denn ich muss jede wertvolle Stunde, die ich allein zuhause bin, nutzen. Tenby soll sehr schön sein, sagte mir die Inhaberin meines Stammcafés. Es gibt auch einen alljährlichen Weihnachtsbrauch, den die Bewohner von Tenby praktizieren: Sie baden in den eisigen Meeresfluten. Auch Besucher sind herzlich eingeladen mitzumachen, aber ich glaube, das muss ich mir nicht gönnen. Ich kann auch nur drei Tage entspannen, dann ruft die Pflicht wieder. In Tenby haben wir nämlich kein Internet, aber ich brauche das World Wide Web zum Arbeiten. Also muss ich mich am Montag wieder auf den Weg in die Heimat machen.

Ferien sind ein schwieriges Thema für Finn. Während Josh gut alleine spielen kann, braucht Finn mehr Anregung von Außen und man muss ihn immer im Auge behalten. Er ist ausgeglichener, wenn er seine normale Routine hat (Schule und so weiter) und insofern tun ihm die Ferien nicht so gut. Es geht allerdings ganz gut, wenn man sich mit ihm beschäftigt, was wir im allgemeinen tun. Am liebsten spielt er Memory und Trivial Pursuit Star Wars. Nur verliert er nicht gerne, was manchmal zu Spannungen führt. Es kommt ein bisschen auf seine Tagesform an. An manchen Tagen läuft es gut, an manchen weniger gut.

Das Thema Bettnässen ist auch immer noch nicht ausgestanden. Manchmal schafft Finn es drei oder vier Nächte nicht ins Bett zu machen, dann wird er wieder rückfällig. Wir haben schon alles mögliche ausprobiert, aber ich glaube, wir können nur immer wieder mit ihm reden und dafür sorgen, dass er vor dem Zubettgehen auf die Toilette geht, was er im allgemeinen auch macht. Ich glaube, das Bettnässen ist ein Ausdruck seiner Nervosität. Gerade in den Ferien wird diese innere Anspannung besonders deutlich.

Von Finns Autismus einmal abgesehen, ist diese innere Unruhe ein Sympton, das sich in unserer gesamten Familie findet. Ich habe sie, mein Vater hat sie, die Schwester meines Vaters hat sie und die Mutter meines Vaters hatte sie auch. Nur bei Finn ist dieses Symptom eben besonders ausgeprägt. Zu dieser Nervosität gehört auch, dass Finn sich große Sorgen um die Zukunft macht (genau wie ich). Es ist wichtig, dass man Dinge mit ihm plant, auf die er sich freuen kann. Das wirkt sehr gut. Es hilft mir im übrigen auch. Es ist gut, wen ich mir außer Arbeit über den Tag verteilt Dinge vornehme, die ich gerne mache. Das kann ein Besuch im Café oder bei Freunden oder eine schöne Sendung im Fernsehen sein. Oder manchmal auch eine Zigarettenpause und eine Tasse Kaffee.

Die Jungs sind natürlich sehr aufgeregt wegen Weihnachten und Finn hat mir schon Löcher in den Bauch gefragt, was er geschenkt bekommt. Bislang hat er keine Ahnung, aber wir wissen noch nicht genau, wo wir die Roller verstecken werden, die heute geliefert werden. Vielleicht frage ich meinen Nachbarn Marco ob wir sie einige Tage dort unterstellen können.

Derzeit beschäftigt Finn sich auch sehr stark mit seiner weiterführenden Schule. Wir haben uns bei drei örtlichen Schulen beworben, die alle sehr gut sein sollen. Außerdem hat er ja noch sein Statement mit dessen Hilfe es kein Problem sein sollte, für Finn einen Platz in der Schule seiner Wahl zu bekommen.

Hatte ich das Statement schon erwähnt? Es ist eine Bescheinigung vom Kultusministerium, die besagt, das Finn autistisch ist und in der Schule eine Sonderbehandlung braucht. Wie diese Sonderbehandlung aussieht, muss dann im Einzeln ausgehandelt werden. In Finns Fall bedeutet das zum Beispiel 15 Stunden Unterstützung im Unterricht wöchentlich durch einen Assistenzlehrer wie das in Großbritannien heißt. Assistenzlehrer sind keine voll ausgebildeten Lehrer, sondern Hilfskräfte, die den Lehrer beim Unterrricht unterstützen und ein Auge auf Kinder mit Lernschwierigkeiten haben. Wachsende Schülerzahlen und Lehrermangel machten diese Maßnahme auf den britischen Inseln nötig.

Was wir an Silvester machen wissen wir noch nicht, wahrscheinlich werden wir Zuhause bleiben. Aber vermutlich werde ich mich vorher nochmal melden.

Ich wünsche euch allen ein frohes Weihnachtsfest und viele Geschenke.

Bis bald,

Frank

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Kommentare von Lesern:

 
Gast:
16.03.2012 10:57
Liebes Kidsgo-Team,

Ich finde es immer schade, wenn man gar nichts mehr hört und nicht weiß warum. Vielleicht können Sie ja eine kurze Stellungnahme geben, ob es der Familie gut geht.

Viele Grüße
Yvonne, Berlin:
25.01.2012 10:39
Hallo - what's up? Hört man nichts mehr von dir und deinen Jungs?
Grüße aus Berlin!
Gerd, Norddeutschland:
21.12.2011 19:28
Tröste Dich: auch nicht-autistische Kinder haben Schwierigkeiten zu verlieren. Und manche Ehefrauen auch :-)

Ein schönes Fest Für Euch!

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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