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10.10.2011 34. Woche
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Herbstgedichte und Herbstwinde

Warum ist alles so dornenreich? Oh nein, die Hundediskussion! Entscheidungen: ein schwieriges Thema. Nachteulen.
Bei uns sind gerade Herbststürme ausgebrochen, aber trotz der Winde kann man immer noch sehr schön im Garten sitzen. Es dürften so 22 Grad sein, also genau das richtige Wetter, um draußen einen Väterblogeintrag zu schreiben. Finn und Josh sind heute bis um 16.30 Uhr in der Schule. Matheclub und Poesieclub. Josh sollte gestern ein Gedicht zum Thema Herbst schreiben. Ich glaube, es gelang ihm ganz gut, aber er jammerte fürchterlich. Verständlich, denn wer will schon Gedichte schreiben, wenn Transformers II im Fernsehen läuft. Meine Frau kannte aber keine Gnade und so musste der Kleine seiner künstlerischen Ader freien Lauf lassen.

Natürlich war es absolut nicht möglich am selben Tag auch noch Hausaufgaben zu machen, so dass wir die heute Nachmittag angehen müssen. Mir graut immer ein bisschen davor wegen der intensiven Meckerei von Finn und Josh. Meistens kriegen sie die Aufgaben gut geregelt, aber der Weg dahin ist dornenreich.

Dornenreich scheint im Moment übrigens alles zu sein. Das Finanzamt sitzt mir im Nacken wegen der letztjährigen Steuererklärung. Mein Autoheft verschiebt sich dauernd weiter nach hinten, obwohl keiner so genau weiß warum. Eine Woche heißt es, es gäbe rechtliche Hürden zu überwinden. In der nächsten Woche heißt es, die Hürden seien jetzt überwunden. In der Woche darauf heißt, es seien noch mehr rechtliche Hürden aufgetaucht. Man sollte meinen, dass ein Verlag, der viele Magazine herausgibt, diese Hürden alle kennt, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es keinen Sinn macht, sich aufzuregen. Abwarten und Tee (oder Kaffee) trinken ist die Devise. Trotzdem gerate ich immer wieder an einen Punkt, wo der Hund in der Pfanne verrückt werden will.

Apropos: Die Hundediskussion ist schon wieder aufgeflackert, weil ein Klassenkamerad von Josh einen Cockerspaniel-Welpen namens Scooby Doo bekommen hat. Natürlich muss er das Vieh jeden Tag stolz auf dem Schulhof präsentieren und den anderen die Nase langziehen. Ich hatte also wieder diverse Anfragen von Finn und Josh, wann wir uns denn nun endlich einen Vierbeiner zulegen, aber bislang konnte ich noch keine Entscheidung fällen. Vielleicht erledigt sich das Thema auch von selbst, indem ich einfach keine Entscheidung fälle.

Genau wie bei Finn fällt mir das Entscheiden sehr schwer. Wenn ich mit Finn an den Kiosk gehe, dauert es ewig bis er eine Wahl trifft. Und kaum hat er eine Wahl getroffen, fragt er sich sofort, ob er vielleicht die falsche Wahl getroffen hat. Ein typisches Autistensymptom, und ich habe es im übrigen auch. Nichts fällt mir schwerer als eine Entscheidung zu fällen, und selbst wenn ich sie gefällt habe, dann hadere ich oft noch lange damit. Man kann es bis zu einem gewissen Grad lernen, aber das macht es nicht unbedingt einfacher. Ich fälle inzwischen schneller Entscheidungen, aber glücklicher bin ich deswegen nicht. Ich berate mich auch oft vorher mit meiner Frau, damit ich mich nicht wenigstens dauernd im Kreis drehe.

Ich bin gerade nicht im Bilde, wie es mit Finns Bettnässen vorangeht. Ich glaube, er hatte wieder einige trockene Nächte, aber ich könnte es nicht beschwören. Ich muss mal meine Frau fragen, die gerade nicht da ist, und euch dann nächste Woche berichten.

Übrigens hat sich Josh in den Kopf gesetzt, jetzt ab und zu alleine von der Schule nach Hause zu gehen. Auch wenn das sehr schön wäre, so ist es doch zu gefährlich. Hackney hat leider ein Gang-Problem und das sind oft Jugendliche, die es genau auf solche Kinder wie Finn und Josh abgesehen haben. An Erwachsenen vergreifen sie sich nur selten, aber eben an Teenagern oder jüngeren Kindern. Obwohl ich mir sicher bin, dass die Jungs theoretisch alleine von der Schule nach Hause gehen könnten, werden sie früher oder später zur Zielscheibe von Kriminellen und diese Erfahrung möchte ich ihnen ersparen.

Eine Bekannte, deren Sohn auf eine Gymnasium in Nord-London geht und der eine Stunde Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmittel hat, wurde inzwischen auf dem Schulweg schon von anderen Jugendlichen belästigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er ausgeraubt wird. Und weil diese Banden sich auf so etwas spezialisiert haben, werden sie ihn auch immer wieder ausrauben, sobald sie ausfindig gemacht haben, welchen Schulweg er nimmt. Die einzige Lösung ist, dass die Eltern ihn begleiten. Warum sie das nicht von vorneherein machen und stattdessen ihr Kind so einer Gefahr aussetzen ist mir schleierhaft.

Und weil wir schon gerade beim Thema Schulen sind: Meine Frau und ich haben uns inzwischen entschieden und zwei weiterführende Schulen auf das Bewerbungsformular geschrieben. Beide sind so nahe, dass wir Finn und Josh selbst zur Schule bringen können. Es gibt auch einen Bus, aber ich weiß nicht, ob das zu gefährlich wäre. Insbesondere, weil Finn mit seinem Verhalten manchmal etwas auffällt und Kleinkriminelle es besonders auf solche Menschen abgesehen haben. Es kann natürlich auch sein, dass Finn bis dahin gelernt hat, sich anzupassen – was im übrigen bei vielen Asperger-Kindern der Fall ist – aber man kann ja nie wissen. Es ist jedenfalls beruhigend zu wissen, dass wir die Jungs selbst in die Schule bringen können, wenn es notwendig ist.

Mir fliegen hier gerade die Blätter um die Ohren, aber ich mag das gerne. Eigentlich ist jetzt genau die richtige Jahreszeit zum Drachensteigen, was bei uns im Park auch sehr gut geht, aber der Wind ist doch ein bisschen zu stark. Außerdem hat meine Frau unseren letzten Drachen in einen Baum manöviert, und ich habe noch keinen neuen gekauft.

Überhaupt gibt es eine Menge Dinge bei denen ich hinterherhinke. Finns Fahrrad braucht ein bisschen Zuwendung, und wir sind dieses Jahr noch keinmal mit unserem ferngesteuerten Offroader im Park gewesen. Ganz zu schweigen von unserem ferngesteuerten Rennboot. Dabei haben wir im Park einen kleinen See, der eigens für ferngesteuerte Boote angelegt wurde. Und da soll noch einer sagen, London habe nichts für Kinder zu bieten. Leider hat Finn das Boot bei der letzten Ausfahrt volle Kanne gegen die Wand gefahren, so dass ich auch da erstmal Hand anlagen muss, bevor die Kiste wieder einsatzbereit ist.

Bevor wir zum Ende kommen, noch schnell ein kleines Finn-Problem bei dem wir keine Fortschritte machen. Der Junge ist abends oft so aufgedreht, dass es kaum möglich ist ihn vor 22.30 Uhr ins Bett zu kriegen. Selbst wenn er vorher alles vermeidet was ihn aufregen könnte (Fernsehen, Videospiele etc.) sowie ein langes Bad nimmt und liest, ist er total aufgedreht. Nun bin ich selbst ein Nachtmensch und weiß wie schwer das mit dem Zubettgehen ist. Früher als ich noch angestellt war, schaffte ich es keine Nacht, vor 2 Uhr in die Falle zu gehen. Ich war einfach zu aufgedreht. Natürlich war ich am nächsten Tag müde, aber ich fühlte mich auch entspannt und oft besser als wenn ich früh schlafen gegangen war. Ich vermute, es hat damit etwas zu tun, dass Schlafentzug auf manche Menschen eine positive Wirkung hat. Anscheinend gehören Finn und ich auch zu dieser Gattung. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sich so etwas ändern lässt, aber für Vorschläge eurerseits bin ich trotzdem dankbar.

So nun werde ich mir noch etwas den Wind um die Ohren wehen lassen.

Alle Liebe von der Themse und bis nächste Woche. Und was immer ihr tut: keep on rocking!

Frank

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Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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