väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

07.09.2011 29. Woche
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In your face

Schulbeginn und die Hosen sind zu kurz; und immer wieder die Winterjacke; eine Stunde Unterricht; in your face!
Oh Gott, es tut mir wirklich leid, dass mein Vätertagebuch diese Woche so spät kommt. Über mir ist eine Arbeitsflut sondergleichen hereingebrochen. Und dann habe ich noch jede Menge Blindbewerbungen rausgeschickt (Akquise), was ich von Zeit zu Zeit machen muss, damit die Schornsteine auch weiterhin rauchen. Gerade sitze ich in meinem Stammcafé und es sind noch genau 35 Minuten bis zur Kids-in-der-Schule-abholen-Deadline. Und dann kommt heute Nachmittag Patrick zu Besuch. Patrick ist wirklich nett und die Kids lieben ihn über alles, aber ich werde zu gar nichts kommen. Außerdem ist das Wetter schlecht, es regnet wie aus Eimern und ich bin pleite, dass heißt wie können nicht ins Café gehen…

Jetzt muss ich gerade mal die letzte Ferienwoche Revue passieren lassen. Also gestern waren Finn und Josh bei ihrem Freund Cameron zu Besuch. Dort gehen sie sehr gerne hin. Cameron und seine beiden Brüder sind sehr lieb, aber ich glaube es hat auch etwas damit zu tun, dass Camerons Dad diverse Spielekonsolen hat, die unter anderem mit Dolby Surround ausgestattet sind. Also ein echtes Rund-um-Game-Sound-Erlebnis. Außerdem können sie dort auch Spiele mit Altersbeschränkung 18 spielen, was natürlich der Sache einen besonderen Reiz verleiht.

Nach dem Besuch dort haben meine Frau und ich regelmäßig Diskussionen, inwieweit es unverantwortlich von Camerons Eltern ist, die Kids solche Spiele spielen zu lassen. Meine Frau meint sie müssten fragen, ob uns das Recht ist. Natürlich hat sie recht, aber ich sehe das pragmatischer: 1. Wer ein- bis zweimal im Monat aggressive Videospiele spielt wird deswegen nicht zum Serienmörder. 2. Nicht alle Eltern kommen mit Finns Verhalten zurecht. Darüber hatte ja auch schon geschrieben. Ich bin froh, wenn wir jemand gefunden haben, Camerons Eltern gehen wirklich gut mit Finn um und er geht gerne dort hin. In dem Fall bin der Ansicht, hier heiligt der Zweck die Mittel. Oder wie sehr ihr das, liebe Leser?

Die letzte Ferienwoche war wirklich anstrengend, sowohl für die Jungs als auch für mich. Wenn die Deadlines drücken, und ich viel nachts arbeiten muss, kann das schon an den Nerven zerren. An sich mache ich das alles gerne und sobald die Jungs nicht zuhause sind ist mir langweilig. Aber trotzdem. Manchmal, glaube ich, dass die Ferien ihnen zu Kopfe steigen. Zu wenig Pflichten und Aufgaben, das tut ja niemandem gut.

Heute morgen war jedenfalls bei Finn und Josh hängen im Schacht. Ich musste mindestens sieben- oder achtmal in ihr Zimmer gehen, und schließlich sogar etwas laut werden, weil einfach keine Reaktion bei den Jungs zu sehen war. Und das, obwohl ich die Jalousien hochgezogen hatte. Dann kam die übliche der-erste-Schultag-Routine. Nein, die Rede ist nicht von der Schultüte, sondern der Schuluniform. Irgendwas passt immer nicht, ist zu eng oder zu weit, zu kratzig oder die Hosen sind zu lang.

Weil meine Frau und ich gut organisiert sind, haben wir gestern eine Anprobe inszeniert. Aber was gestern in Ordnung schien, war heute morgen plötzlich ein Problem. Finn war überzeugt davon, seine Schuhe seien zu eng und er könne nicht richtig darin laufen. Schon gar nicht bis zur Schule. Josh wollte unbedingt eine andere Hose anziehen, weil er behauptete, seine sei zu lang, was sie nicht war! Nachdem sich dieses Drama eine Dreiviertelstunde hingezogen hatte, konnten wir uns endlich auf den Weg machen, um natürlich am ersten Schultag fast zu spät zu sein. Finn musste übrigens seine Winterjacke anziehen, weil es regnete. Er zieht bei jeder Gelegenheit seine Winterjacke an – auch wenn es draußen warm ist. Zum Glück wussten die Jungs instinktiv, wo ihre Klassenräume waren und schlüpften in letzter Minute rein. Uff! Aber so richtig erleichtert war ich nicht, denn ich hatte ja einen Riesenberg Arbeit vor mir.

Ich muss mich nämlich auch erst wieder an die Schulroutine gewöhnen. In den Ferien arbeite ich oft nachts, nachdem die Jungs ins Bett gegangen sind, und stehe dann dafür morgens später auf. Während der Schulzeit kann ich das so nicht machen, denn ich muss ja morgens früh (für mich ist 8 Uhr früh) aus den Federn kriechen.

Davon abgesehen habe ich immer noch Heuschnupfen, obwohl wir schon September haben. Das geht wirklich mit dem Teufel zu, aber wenn ich keine Tablette nehme, dann jucken mir den ganzen Tag die Augen. Hoffentlich habe ich keine Allergie gegen unseren Hasen entwickelt, das ware nämlich ein Desaster.

Das Projekt Bettnässerei hat neulich wieder eine Schlappe erlitten, aber dann gab es einige gute Tage. Es wird wohl noch eine Weile dauern bis Finn die Sache in den Griff kriegt. Momentan ist es einfach schwierig, alle Bälle in der Luft zu halten. Das wurde nicht besser dadurch, dass ich heute morgen – nachdem ich die Jungs in der Schule abgesetzt hatte – ich mich nur für ein kleines Nickerchen hinlegen wollte (weil ich doch so früh aufgestanden war!). Immerhin hatte ich die Nacht vorher bis drei Uhr morgens gearbeitet und war rechtschaffen müde. Wie ihr euch denken könnte, hörte ich den Wecker nicht, den ich auf 11 Uhr gestellt hatte, und schlief prompt bis 13.30 Uhr! So ein Mist, denn ich hatte verschiedene Jobs für heute eingeplant, die ich jetzt heute abend machen muss. Also steht mir wieder eine lange Nacht bevor.

Auf dem Weg nach Hause erkundigte ich mich bei Finn und Josh, was sie denn am ersten Schultag gemacht hätten. „Eine Stunde Unterricht“, meinte Finn, „und dann haben wir nur geredet. Über die Regeln in der Schule, wie wir uns benehmen sollen, was es mittags zu essen gibt und so weiter.“ Ein vielversprechender Start.

Jetzt ist es schon 21 Uhr und ich muss gleich die Jungs ins Bett bringen. Mal wieder viel zu spät, aber ich habe gerade gehört, dass ich am Montag zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen bin und darauf musste ich mich noch ein bisschen vorbereiten. Im Fernsehen läuft ein Länderspiel England-Wales. Gähn. Fußball lockt mich schon seit meiner Kindheit nicht mehr hinter dem Ofen hervor, wohl aber meine Kinder. Sie sind voller Hoffnung, aber ich bin mir sicher, dass England wieder verlieren wird. Die verlieren ja sowieso dauernd.

In diesem Sinne hoffe ich, dass die nächste Woche für euch ein Gewinn wird.

Bis dahin,

Frank Heinz Diebel

PS: Neulich hatten wir uns ja über Sprüche unterhalten, die die Jungs aus der Schule mitbringen. „In your face“, sagte Josh heute abend zu mir. Das muss so was heißen wie „siehste“, aber sicher bin ich nicht.

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Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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