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30.05.2011 17. Woche
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Wieder auf den Hund gekommen...

Lärmintensives Zuhause; Meeting in der Schule: Finn macht Fortschritte; Sonnenbrand; die Hundediskussion: drei Hürden bis zum Hund; Chip, der Hippie-Hase;
Es ist Sonntagnachmittag. Ich bin gerade von Zuhause geflüchtet und sitze im Café, weil es daheim einfach zu laut ist. Finn und Josh spielen in letzter Zeit viel öfter miteinander, was sehr gut ist, aber es ist eben auch sehr lärmintensiv und als Hintergrundmusik fürs Schreiben einfach nicht geeignet. Heute ist das Wetter schon wieder schön. Allmählich kommt mir das spanisch vor, denn sonst scheint die Sonne auf der Insel nie mehr als zwei Tage hintereinander. Aber ich kann nicht sagen, dass es mich stört, denn wenn das Wetter gut ist, gehe ich viel mehr raus mit den Jungs. Eigentlich wollte ich schreiben „an die frische Luft“, aber frisch ist Luft in London eher nicht ...

Letzte Woche habe ich etwas vergessen; ein wichtige Sache und so beschloss ich, es diese Woche zu erwähnen. Ich hoffe, ihr seid damit einverstanden. Am Freitag letzter Woche hatten wir ein Treffen in der Schule mit Finns Lehrerin Michelle, seiner Betreuerin Rebecca und der Beauftragten für Kinder mit Lernbehinderungen. Das Meeting verlief sehr positiv, was bei Treffen dieser Art nicht immer der Fall ist. Wie oft waren wir verzweifelt, wenn Finn keine Fortschritte machte und es fast täglich Probleme mit anderen Kindern gab.

Zum Glück ist es, wie uns seine Betreuerin mitteilte, viel besser geworden. Sie meinte Finn sei viel selbstbewusster, er bringe sich mehr ein, hätte auch inzwischen Bande mit seinen Klassenkameraden geknüpft (was vorher nicht der Fall war). Insbesondere mit Gruppenarbeiten tat sich mein Sohn früher schwer. Er sorgte meist dafür, dass er als Letzter an die Reihe kam. Heute beteiligt er sich früher, sagte Rebecca. Seine Lehrerin Michelle stimmte zu. Sie meinte er sei stärker darum bemüht, seine Hausaufgaben zu machen und würde sich mehr am Unterricht beteiligen.

Oft ist es eben bei Kindern mit Asperger so, dass sie Schwierigkeiten haben, sich in eine Gruppe einzufügen. Das liegt zum einen an mangelnden sozialen Fähigkeiten, aber auch an den vielen Sinneseindrücken, die sie in einer Gruppe gleichzeitig managen müssen (Stimmen, Gesten, Körpersprache und so weiter). Asperger-Kinder haben eine sehr sensible Sinneswahrnehmung und sind schnell verwirrt, wenn sie zu viele Eindrücke gleichzeitig verarbeiten müssen. Aber Finn ist sicher ein gutes Beispiel dafür, dass auch hier zumindest bis zu einem Gewissen Grad Übung den Meister macht.

Sehr gute Nachrichten, aber das heißt nicht, dass wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen können. Denn bei Finn kann es genauso schnell wieder bergab gehen. Auch das haben wir bereits schmerzlich erfahren müssen. Finn ist nicht immer in der Lage, Lernfortschritte auch kontinuierlich beizubehalten, denn sein Verhalten unterliegt Schwankungen.

Jetzt ist es zum Beispiel so, dass wir nicht genau wissen warum sich sein Verhalten in der Schule gebessert hat. Meine Vermutung ist, da ich jetzt zuhause bin, es etwas damit zu tun hat, dass ich mich stärker mit ihm beschäftigen kann als früher. Finn hat im Allgemeinen stärkere Bindungen zu Männern als zu Frauen, deswegen dürfte ihn meine Gegenwart beruhigen. Aber das könnte auch ein Irrglaube sein, denn genau lässt sich so etwas nie feststellen. Insofern ist jeder Fortschritt bei Finn ein schwankes Brett. Aber ich will mal nicht zu Schwarz sehen und freue mich einfach darüber, dass er glücklicher zu sein scheint.

Diese Woche war wieder von diversen sozialen Aktivitäten gekennzeichnet. Am Dienstag besuchten die Jungs Ethan und seine beiden Brüder. Da ich sie erst um 20.30 Uhr abholen sollte, hatte ich Zeit zu arbeiten. Obwohl ich letzte Woche gar nicht so viel zu tun hatte, fällt es mir doch schwer die Hände in den Schoß zu legen. Es standen aber bei mir etliche Telefonate auf dem Programm und so konnte ich am Dienstag mal wieder ausgiebig mit meiner Mutter telefonieren. Wenn man im Ausland lebt und sich nur alle paar Monate sieht, ist es wichtig Freunde und Verwandte zumindest telefonisch oder per E-Mail auf dem Laufenden zu halten. Außerdem knallte die Sonne vom Himmel und ich holte mir einen Sonnenbrand was mir in den 12 Jahren, die ich hier jetzt an der Themse lebe, erst einmal gelungen ist.

Finn erzählte mir übrigens am Dienstag stolz, dass er sich in der Schule mit den Galapagos-Inseln beschäftigt. Das ist erwähnenswert, weil er früher gar nichts vom Unterricht berichtete; nicht, weil er nicht wollte (wie sein Bruder Josh), sondern weil er sich viele Dinge einfach nicht merken konnte. Die Tatsache, dass er mehr mitbekommt ist auch ein Zeichen für Fortschritte in der Schule.

Letzte Woche entbrannte übrigens bei uns wieder die Hundediskussion. Anlass war eine österreichische Bekannte, die wir auf dem Nachhauseweg von der Schule im Park trafen. Sie hatte ihren Schäferhundmischling im Schlepptau und die Jungs verbrachten eine Stunde damit, dem Hund alte Tennisbälle zuzuwerfen.

Anschließend stand sofort die Frage im Raum, wann wir denn nun endlich einen Hund kaufen würden. Und das, obwohl die Frage, ob wir überhaupt einen Hund kaufen werden, noch gar nicht beantwortet wurde. Ich sitze immer noch auf dem Zaun, wie die Briten das nennen, wenn man zwischen den Stühlen sitzt. Ganz klar ist, dass es für die Jungs super wäre einen Hund zu haben. Sie sind beide sehr tierlieb und in unseren Hasen Chip vernarrt, den sie den ganzen Tag durchs Haus schleppen. Chip ist allerdings schon zu klein, denn die Jungs wollen richtig mit ihm raufen was natürlich nicht geht. Ein Hund wäre dafür ideal. Es ist inzwischen erwiesen, dass es für Asperger-Kinder förderlich ist ein Haustier zu haben. Davon abgesehen hätte ich selbst auch an einem Hund viel Spaß.

Drei Hürden stehen der Sache im Weg: Zum einen muss jemand das Tier erziehen und dreimal täglich mit ihm Gassi gehen. Im Zweifelsfall wäre das ich. Meine Frau hat hier größte Bedenken, denn unser Hase ist ein ziemlich verrücktes Vieh (schlechte Erziehung wie sie sagt), weil ich auf dem Standpunkt stehe, der Kleine hat eine Hippie-Seele und darf nicht in seiner Freiheit eingeschränkt werden. Bei einem Hund wäre so was natürlich katastrophal, denn das Tier würde uns sicher im wahrsten Sinne des Wortes tierisch auf der Nase herumtanzen.

Zum anderen habe ich gerade einen Büroplatz in Soho bekommen und da kann ich den Wuffi sicher nicht mitnehmen, das heißt, wenn bei mir die Deadlines drücken, müsste Fifi öfter allein zu Hause sein. Nun habe ich aber gelesen, dass sei nicht gut für Hunde.

Die dritte Hürde ist meine Frau. Sie will absolut und auf gar keinen Fall einen Hund. Sie meinte wir wären schon mit dem Hasen überlastet und ein weiteres Haustier käme gar nicht in Frage. Meine Frau ist eben keine Tiernärrin. Sie hat jetzt panische Angst davor, dass ich einfach einen Hund kaufe. Als Überraschung sozusagen. Wobei es für meine Frau sicher eine böse Überraschung wäre.

Meine Cousine ist Tierärztin und schwört darauf, dass Haustiere gut für die Seele sind. Und gut für die Atmosphäre im Heim. Und ich möchte meinen Jungs diese Erfahrung auch ermöglichen. Wat nu? Ratschläge, Ideen und Anregungen sind sehr willkommen, denn diese Hundegeschichte geht mir jetzt schon seit einem Jahr im Kopf herum.

Wie gerne würde ich jetzt weiter schreiben, aber meine Blogs werden dauernd länger und zu viel möchte den armen Lesern dann doch nicht zumuten.

Also dann wünsche ich eine erfolgreiche Woche.

Viele Grüße aus dem Ausland,

Frank

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Kommentare von Lesern:

 
Vollzeitvater:
05.06.2011 21:44
Wie viele Stunden arbeitest du zu Hause in der Woche? Oder sagen wir mal, wie viele Stunden lassen Dich Deine Kinder arbeiten?
Frank, London:
31.05.2011 18:53
Vielen Dank für die Anregungen.

Ja, das mit dem Probe-Gassigehen könnten wir machen, aber was wird meine Frau dazu sagen? Weiah...wir haben auch diverse Nachbarn mit Hunden mit denen könnte ich auch mal eine Hundegespräch führen.

Jessy, Aachen:
30.05.2011 16:55
Ja, genau. Man kann auch zum Beispiel mit Hunden aus dem Tierheim "probehalber" regelmässig Gassi gehen
Yvonne, Berlin:
30.05.2011 11:20
Deine Beiträge sind echt immer interessant und spannend zu lesen. Besonders die Lernschwierigkeiten deines Sohnes und wie in England damit umgegangen wird, also dass er auf eine normale Regelschule geht und sie aber besonderes Personal für die Kinder haben ist echt interessant! Was den Hund angeht: Könnt ihr nicht mal in den Ferien ein paar Wochen den Hund von jemand anderem pflegen? Dann bekommen vielleicht alle einen guten Eindruck davon, wieviel Arbeit es nun wirklich ist und ob man das schaffen kann!
Grüße aus Berlin

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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