väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

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Teil 1

Partnerschaft per Telefon

Die Mutter als Stellvertreterin

Gemeinsamkeit zelebrieren, Auseinandersetzung vermeiden


Teil 2

Gedrängte Liebe

Arbeitszeitverkürzung

Pendler besonders belastet

Königskinder oder Die gedrängte Liebe


Wenn der Mobilitätszwang Familienleben nur am Wochenende ermöglicht



Gedrängte Liebe

Manchmal fallen wir übereinander her, ausgehungert. Das geschieht eher am Samstag Abend, sofern Tim einen vollen Tag hatte und früh eingeschlafen ist. Aber es kommt eher selten vor. Einmal haben wir sogar das Kondom vergessen. Mit den bekannten Folgen von Herzrasen und Zittern bis zum erlösenden Anruf mit Seufzer. Meist ist das Wochenende zu gedrängt für Sex. Für die Muße, die zärtliche Stunden brauchen, sind wir normalerweise zu erschöpft - oder mit dem Kopf schon wieder an der Arbeit oder bei der Organisation der nächsten Woche.

Aber sie fehlen mir, die zarten Hände auf der Haut, das Streicheln von Brust bis Po, der leichte Biss im Nacken und die kleinen Neckereien, die schon beim Abendessen beginnen. Wie mir auch die kleinen alltäglichen Zärtlichkeiten fehlen, der Kuss zwischendurch, die Berührung beim Vorbeigehen in der Küche, der Blick beim morgendlichen Abschied, das bereite Aufschauen vom Krimi am Abend.

Denn Liebe wäscht die Seele, und die Körperlichkeit gehört untrennbar dazu. Unausgeglichenheit, Gereiztheit, Unkonzentriertheit - all das nimmt zu, wenn die Liebe und der Sex weniger werden. Ich mache Fehler bei der Arbeit, bin am Wochenende schneller genervt, ungeduldiger mit dem Kind. Das tut mir leid, aber einen praktikablen Ausweg sehe ich momentan nicht.

Zerrissenheit - das ist mein Grundgefühl. Nicht richtig hier, nicht richtig da. Natürlich ist es entlastend, nicht nachts von dem Kleinen geweckt zu werden und unter der Woche nicht direkt mit Kinderkrankheiten konfrontiert zu sein. Dem Ansehen im Betrieb tut es gut, wenn ich Überstunden machen kann, wie sie anfallen ohne Rücksicht auf die Familie. So erfahre ich als einer der ersten von interessanten Projekten, das schafft Vorteile. Abends spontan ins Kino oder mit Kollegen in die Weinstube gehen können ohne große Absprachen - auch etwas Schönes. Aber die Zerrissenheit bleibt. Mich am Arbeitsort verwurzeln, Freunde finden - dazu braucht es die grundsätzliche Perspektive, dort wohnen zu können.

Arbeitszeitverkürzung

Endlich hat es geklappt. Der Chef hat einer Arbeitszeitverkürzung zugestimmt. Musste er auch, schließlich gibt es ein Recht auf Teilzeit in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten. Das verdichtet die Arbeit sehr stark, Karrierechancen sinken, wir haben weniger Geld, obwohl meine Frau ihre Arbeitsstundenzahl erhöhen konnte. Aber das ist uns lieber, als die Partnerschaft und die Familie aufs Spiel zu setzen. Ein Viertel Jahr brauchten wir, um uns wieder aneinander zu gewöhnen, Macht und Arbeit im Haushalt neu auszuhandeln, uns gegenseitig Zeit zu geben und zu entlasten. Einen kinderfreien Nachmittag und Abend hat nun jeder von uns, endlich wieder die Chance auf ein Bier unter Freunden und den regelmäßigen Badminton-Termin. Ich genieße die Viertel Stunde Fußweg zum Kindergarten mit Tim, er erzählt mir alle Neuigkeiten seiner Welt und ich werde langsam zum Dinosaurier-Experten. Und auch dem Paar geht es besser. Viel reden, viele Vorwürfe hören, viel Schrei nach Entlastung bestimmte die ersten Wochen. Aber wir wollten wirklich wieder zusammen sein, Paar sein und Familie, das war wichtig zu spüren. So kommen wir den Mußestunden für die Liebe langsam wieder näher, da bin ich zuversichtlich.
Pendler besonders belastet

Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums untersuchten Norbert Schneider, Ruth Limmer und Kerstin Ruckdeschel die Auswirkungen beruflicher Mobilität auf die Familie. Die wichtigsten Ergebnisse:
  • Etwa die Hälfte der Betroffenen entscheidet sich freiwillig, meist aus Gründen besserer Berufschancen, für eine mobile Lebensform. Immerhin ein Drittel sah keine andere Wahl, um überhaupt berufstätig bleiben zu können, bei einem Fünftel mischten sich Freiwilligkeit und Zwang.
  • 67 Prozent aller mobilen, aber nur vier Prozent aller nicht mobilen Personen berichten von Belastungen im Zusammenhang mit ihrer Lebensform. Vor allem wurden Zeitmangel, Verlust sozialer Kontakte, finanzielle Belastungen und die Entfremdung von Partner und Familie genannt. Nur neun Prozent haben finanzielle Vorteile durch das Pendeln.
  • 42 Prozent der Männer und 69 Prozent der Frauen geben an, die Mobilität hemme die Familienentwicklung. Beruflich Mobile bleiben häufig kinderlos, Frauen in deutlich stärkerem Maße als Männer.
  • Für viele berufsmobile Männer sind Familie und Beruf nur dadurch vereinbar, dass sie die traditionelle Ernährerrolle übernehmen und die Frau auf eine eigene Berufskarriere weitgehend verzichtet.
  • 60 Prozent der Wochenendpendler und 80 Prozent der Menschen mit Fernbeziehungen würden diese Situation gern beenden.
  • Zur Verbesserung ihrer Situation wünschen sich Pendler verbesserte Verkehrsanbindungen - vor allem im öffentlichen Nahverkehr, günstigere Fahrpreise, bessere steuerliche Absetzungsmöglichkeiten für mobilitätsbedingte Belastungen, bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung, berufliche Wiedereingliederungshilfen, flexible Kinderbetreuung bei Notfällen. In zweiter Linie wurden genannt flexiblere Arbeitszeiten, flexiblere Arbeitsorte (Heimarbeit, Telearbeit, Arbeit unterwegs), Beteiligung des Arbeitgebers an mobilitätsbedingten Kosten.
Arbeitgeber können laut ADAC einiges tun, um den Pendlerstress zu verringern. Jobtickets oder Dienstfahrräder werden genannt, aber auch spätere Meetings, Videokonferenzen und Arbeitszeiten, die dem allgemeinen Verkehrsfluss gegenüber antizyklisch sind, werden genannt.

Mobilität beeinflusst das psychische und physische Wohlbefinden, das Privatleben und die Familienbeziehungen nachhaltig und tiefgreifend, so die Autorinnen der Studie.

Steffen Häfner, Chefarzt der Abteilung für Psychosomatik an der Klinik Bad Eilsen, erforscht seit über zehn Jahren die Auswirkungen des Langzeitpendelns auf die Gesundheit. Demnach leiden Menschen, die täglich mehr als 90 Minuten für den Weg zur Arbeit benötigen, signifikant häufiger an Kopf-, Magen- und Rückenschmerzen, Erschöpfung, Reizbarkeit und Konzentrationsmängeln als diejenigen mit kurzen Wegen.

Ralf Ruhl

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