Mädchen haben höhere Lesekompetenz
Allerdings liegt das weniger an biologischen Unterschieden als an selbstgebauten Vorurteilen. Das belegen Forschungen an der Universität Grenoble. Sie haben in verschiedenen Schulklassen die Leseleistung untersucht. Einigen Klassen hatten sie mitgeteilt, dass es sich um eine Prüfung handele. Anderen wurde gesagt, es sei ein Spiel. Beim "Tier-Angeln" mussten die Kinder die passenden Tiernamen finden.
In der Prüfungssituation fanden die Jungen wesentlich weniger Tiernamen als die Mädchen und als die Vergleichsgruppe. Wurde die Aufgabe als Spiel deklariert zeigten sie die gleichen Ergebnisse wie die Mädchen. Die Jungen, denen das Lesen besonders wichtig war, schnitten sogar deutlich besser ab als die weiblichen Mitbewerberinnen. Allerdings nur im Spiel. Die Mädchen hingegen waren im Prüfungsmodus klar vorn.
Bedrohung durch Stereotype
Für diese These sprechen auch Zahlen aus einer Allensbach-Studie. Demnach glauben ca. 40% der Frauen und etwa genauso viele Männer, Mütter seien zum Vorlesen besser geeignet. Gefragt war tatsächlich nach der Eignung, nicht nach dem alltäglichen Handeln.
Bekannt und wesentlich besser erforscht ist dieser Effekt für den "Mathe- und Naturwissenschafts-Gap" bei Mädchen. Die PISA-Studie bestätigte ein weiteres Mal, dass viele Mädchen "Angst vor Mathe" haben. Interessanterweise, obwohl sie in diesem Fach genauso gut abschnitten wie die Jungen. Diese Selbsteinschätzung hat gravierende Auswirkungen auf die Berufswahl: Nur ein Zwanzigstel der Mädchen arbeitet später in einem naturwissenschaftlichen Beruf. Interessant: In den asiatischen Ländern existiert ein solcher "Gap" nicht, dort sind Jungen und Mädchen in Mathe gleichauf. Offenbar vermitteln Eltern und Lehrerinnen immer noch, dass Mädchen schlechter in Mathe und Jungen schlechter im Lesen sind. Unbewusst. Durch ihr Verhalten. Und da die Erziehungsberufe extrem weiblich dominiert sind, sollte dieses Thema unbedingt Einzug in die entsprechenden Ausbildungen halten!
Ralf Ruhl
Raus aus dem Prüfungsstress!
Den Grund für diese "Leselücke" sehen Bildungsexperten in gesellschaftlichen Bildern. Lesen sei weiblich konnotiert, schon von frühester Kindheit an. Was kann helfen? Väter, die lesen. Väter, die vorlesen. Männer in Kitas und Grundschulen, die vorlesen und auf die Lesekompetenz achten. Spielerisch, ist ja klar.
Warum Jungen schlechter lesen

Mädchen sind schlecht in Mathe, Jungen sind schlecht im Lesen. Das wird immer wieder aufs Neue festgestellt, zuletzt durch eine Auswertung der PISA-Daten durch die OECD. Der Grund: Es ist so, weil wir es alle glauben und ständig reproduzieren! Das Bild, dass Bücher vor allem etwas für Mädchen sind, setzt sich früh fest. Aber Väter können gegensteuern!