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Späte Väter


Der Trend zur späten Vaterschaft ist unübersehbar: Überall sieht man graumelierte Männer Kinderwagen schieben. Logisch, denn zu älteren Müttern gehören auch ältere Väter. Aber stimmen die Vorurteile, gibt es Unterschiede zwischen früher und später Vaterschaft? Ein Erfahrungsbericht.

Früher Vater - später Vater


Franz Beckenbauer wurde mit 58 Jahren Vater, Niki Lauda mit 60, Klaus Maria Brandauer mit 70, Richard Lugner ist über 80 und will Vater werden. Doch nicht nur zahlreiche prominente Männer erfreuen sich der späten Vaterschaft, mittlerweile hat jedes vierte Kind einen Vater über 35, jedes zwanzigste Kind einen über 50-jährigen Vater. Scheinbar gibt es einen Trend zur späten Vaterschaft.

Einmal abgesehen von den gesundheitlichen Aspekten - wie geht es einem als späten Vater mit seiner Rolle? Stimmen die Vorurteile, dass man für den Opa gehalten, belächelt oder als unverantwortlich abgestempelt wird? Aus meiner mittlerweile 17-monatigen Erfahrung kann ich sagen: nein, sie stimmen nicht. Denn ich gehöre sowohl zu den frühen und zu den späten Vätern. Als meine Tochter zu Welt kam, war ich 25, bei meinem Sohn 50. Ich kenne also beide Arten der Vaterschaft.

No Schlaf, no sports


Der Alltag mit einem Baby unterscheidet sich bei frühen oder späten Vätern kaum. Durchwachte Nächte, Schlafmangel, durch Babygeschrei bloß liegende Nerven, kaum Sex, keine Partys, man steht als junger wie als alter Vater vor den gleichen Herausforderungen. Gibt es Unterschiede? Hin und wieder spüre ich meinen Ischias, wenn ich den Knaben aus dem Gitterbett hebe. Manchmal merke ich, dass mir das wöchentliche Nordic Walking abgeht und mit 25 habe ich mir nicht so viele Gedanken gemacht. Ich ließ es einfach laufen und machte mir kaum Sorgen, irgendwie würde es schon gehen. Und es ging, zuerst langsam, dann schneller, und vor kurzem hat meine Tochter, mittlerweile 25 Jahre alt, beim Frauenlauf eine gute Platzierung erreicht.

Mit 50 denke ich mehr nach, über das Leben, die Zukunft. Kann ich mit meinem Sohn noch Fußballspielen wenn er 20 ist? Dann bin ich bereits ein Pensionist mit 70 Jahren - oder wird er sich für mich schämen, weil ich mit dem Rollator im Zuschauerbereich stehe? Was denken die Leute, wenn ich mit dem Kinderwagen vorbeischiebe? Halten sie mich für einen alten Idioten, weil ich, anstatt es mir gut gehen zu lassen, einen Kinderwagen schiebe und Windeln wechsele? Auch viele Freunde gaben mir diesen Rat, es mir "gut gehen zu lassen". Aber was bedeutet das eigentlich? Für die einen heißt es, mit einem guten Buch in einer Hängematte zu schaukeln, für die anderen mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Ich bin eher der "Springer-Typ", Untätigkeit macht mich lethargisch.

Eltern- statt Motorradzeitschriften


Und eines weiß ich ganz sicher: ein Kinder bekommen ist eine Herausforderung - und was für eine. Aber dann gibt es Momente wie diese: mein Sohn schläft friedlich auf meinem Bauch, oder er lächelt mich an und umarmt mich, wenn ich ihn von der Tagesmutter abhole. Das entschädigt für vieles, nein das entschädigt für alles. Kinder sind keine Mühe sie sind eine Bereicherung und sie erweitern den Horizont. Las ich früher hauptsächlich Foto- oder Motorradzeitschriften, so stecke ich jetzt meine Nase in Eltern-Magazine. Wie machen das eigentlich die anderen oder wie werde ich Daddy-Cool?

Als Vater mit 50 habe ich mit meinen Mitmenschen keine Probleme. Ich werde behandelt wie andere, wie jüngere Väter auch. Keiner bietet mir in der U-Bahn einen Sitzplatz an, wenn ich neben dem Kinderwagen stehe, keiner lässt mich vor, wenn ich ermattet über eine Stunde beim Kinderarzt warte. Der 25-jährige Vater eines Tagesmutter-Kollegen meines Sohnes duzt mich und plaudert locker mit mir über den Baby-Alltag. Das ist erfrischend.

Die einzigen Schwierigkeiten gab es zu Beginn nur mit meiner Familie. "Mit 50 noch einmal Vater werden, du bist verrückt", waren noch die mildesten Reaktionen. "Okay, ich schreibe das auf", war meine Antwort. "Kommt alles in mein Buch ‚Vater mit 50’". Mein Sohn soll später auch etwas zu lachen haben, nicht, dass die eine oder andere Anekdote verloren geht. Wird man mit 50 vielleicht ein wenig rachsüchtig? Eines hab ich mir jedoch mit 50 bewahrt: das Kind im Manne. So liebe ich es, auf einem Grashalm zu pfeifen, Baumhäuser oder Drachen zu bauen und ich kann es kaum erwarten, bis mein Sohn alt genug für eine Carrera-Autobahn ist. Ich freue mich auf unzählige glückliche Momente die ich noch mit ihm noch erleben darf. So gesehen habe ich den Rat meiner Freunde befolgt, ich lasse es mir gut gehen.

Wilhelm Bauer

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