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Väter - nur Täter?


Väter und Gewalt – nur Täter?Bild: tobeys - photocase.com

Männer sind nicht häufiger gewalttätig als Frauen, so das Ergebnis der groß angelegten Studie von Dr. Peter Döge. Und: Die hauptsächlichen Opfer sind Jungen, stellt Dr. Döge im Interview klar.


Herr Dr. Döge, zwei Generationen sind in Deutschland mit dem Diktum "Männer sind Täter - Frauen sind Opfer" aufgewachsen. Stimmt dieses Diktum noch?

Es hat noch nie gestimmt. Die Frage ist, was man als Gewalt definiert. Hier bestimmt in der Tat seit den 1970er Jahren die Frauenbewegung den Diskurs. In der klassischen feministischen Forschung ist Gewalt definiert als physische und sexuelle Gewalt. Und hier sind, das sagen auch unsere Zahlen, die überwiegende Mehrheit der Täter Männer. Zählt man jedoch auch Ohrfeigen, Treten, Heftiges Rempeln, Geschirrwerfen oder lautes Anbrüllen mit dazu, so findet man eine weitgehende Symmetrie im Gewalthandeln der Geschlechter. Das sagen auch amerikanische Studien, u.a. von Strauss, schon seit vielen Jahren. Die Frauengewaltforschung hat sich hier jedoch sehr abgekapselt, sie nimmt diese empirischen Daten einfach nicht zur Kenntnis. Sie geht weiterhin von der These aus, dass Gewalt zwischen den Geschlechtern ein Ausdruck patriarchaler Unterdrückung ist. Ich gehe dagegen davon aus, dass sie vor allem Ausdruck einer negativen Dynamik in der Beziehung eines Paares ist.

Gewalt in Familien

Wie verbreitet ist denn Gewalt in den Familien?

Gut, dass Sie "Familien" sagen, denn hier gehören die Kinder dazu, es geht nicht nur um Gewalt zwischen den Eltern. Zählt man die Erziehungsgewalt dazu, findet man auch hier nahezu eine Symmetrie zwischen den Geschlechtern.

Wie sehen denn die Zahlen aus?

Insgesamt leben etwa 70 % der Männer und Frauen gewaltfrei. Das muss man einmal betonen, dass Gewalt in der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung kein Thema ist. Ein knappes Drittel der Männer und Frauen sind also gewalttätig. Die überwiegende Zahl der Gewalttaten findet im sogenannten sozialen Fernraum statt, richtet sich also gegen Fremde. Das ist bei Männern und bei Frauen so und in etwa in gleich starkem Maße der Fall. Nur etwa 20 % der Gewalthandlungen richtet sich gegen den Partner oder die Partnerin. 25 % der Frauen und 23 % der Männer geben an, Gewalt durch ihren Partner erlitten zu haben. Sieht man nur die sexuelle und physische Gewalt, sind in 75 % der Fälle Männer die Täter. Diese starke, brutale Gewalt macht etwa 20 % der innerfamiliären Gewaltakte aus, und von denen verüben Männer drei Viertel. Intensive Gewaltbeziehungen gibt es eher selten. Nur gut 10 % der Gewalthandlungen finden mehr als 20 mal statt.

Und die Gewalt gegen Kinder?

Die ist in der Hauptsache Gewalt gegen Jungen. Etwa 10 % befragten Frauen üben Erziehungsgewalt aus und etwa 8 % der Männer. Bei Frauen ist hier Gewalt als Kontrollwunsch vorherrschend, Ohrfeigen oder Anschreien oder Treten. Sieht man nur heftige Prügel und sexuelle Gewalt, sind auch hier die Männer dominierend. Frauen sind gegen ihre Töchter in erster Linie verbal gewalttätig, aber auch die Söhne werden geschlagen. Die Zahl der Gewalttaten gegen Jungen ist von Seiten der Mütter und auch der Väter doppelt so hoch wie gegen Mädchen.
Diese These kann so nicht aufrecht erhalten werden. Das legen auch die amerikanischen Studien von Strauss nahe. Zudem finden sich bei lesbischen Paaren, in denen Gewalt vorkommt, die gleichen Muster wie in heterosexuellen Partnerschaften. Was das Gewalthandeln begünstigt, sind grundsätzliche Lebenseinstellungen. Haben etwa Männer eine positive Lebenseinstellung, sind sie optimistisch, hatten sie eine glückliche Kindheit, dann sind sie signifikant seltener gewalttätig. Die subjektive Lebenseinschätzung spielt hier eine ganz starke Rolle.

Finden sich Unterschiede in den sozialen Milieus? Kann man sagen, Ärzte sind seltener gewalttätig als Arbeiter?

Nein, das ist so nicht richtig. Es gibt eine minimale Tendenz, die aber statistisch kaum signifikant ist, dass bildungsferne Männer etwas stärker zu Gewalthandeln neigen. Es gibt aber keinen klaren Zusammenhang zwischen Gewalt und Bildungsabschluss. Bei Männern mit Abitur findet man die gleichen Gewaltmuster wie bei Männern mit Hauptschulabschluss. Allerdings sind jüngere Menschen - Männer wie Frauen - deutlich aktiver im Ausüben von Gewalt als ältere - und die Männer mit Abitur sind in der ausgewerteten Stichprobe die jüngsten.

Die meisten Gewaltopfer sind Jungen


Jungen sind also in der Hauptsache die Opfer und nicht, wie immer behauptet, die Mädchen?

Das muss man klar so sagen, ja.

Wo liegen die Motive für Gewalthandeln? Es gibt ja die These, dass Frauen vor allem in Notwehr gewalttätig werden.
Vom Opfer zum Täter

Neigen Gewaltopfer später selbst zur Gewalttätigkeit?

Dieser Zusammenhang ist ganz eindeutig. 80 % der Täter waren vorher selbst Opfer. Auch das ist bei Männern und Frauen in ähnlichem Maße der Fall. Die Opferarbeit muss unbedingt ausgebaut werden.

Gerade Männer haben aber große Schwierigkeiten, sich als Opfer anzuerkennen und zu erkennen zu geben.

Da muss man besonders sensibel sein und Instrumentarien entwickeln, wie Männer anzusprechen sind. Fragt man sie "bist du Gewaltopfer?", dann antworten sie mit "nein!" Fragt man aber bestimmte Erlebnisse ab, z.B. bist du als Kind geschlagen worden, dann gehen sie darauf ein. In den Niederlanden sind in der allgemeinen Opferarbeit anonyme Beratungsangebote über das Internet recht erfolgreich, das könnte man auch für die Opferarbeit mit Männern etablieren.

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Gewaltprävention und die Männerarbeit?

Für mich das wesentliche Ergebnis der Studie ist, wie wichtig die subjektive Lebenseinstellung für das Gewalthandeln ist. Hier kann Gruppenarbeit mit Männern, teilweise auch Therapie, sicher helfen. Das eigene Leben betrachten, die Werte hinterfragen, die Stereotypien, die man mit sich herumschleppt, erkennen und reflektieren. Für Männer ist es wichtig, ihre Lebenssituation überhaupt zur Sprache zu bringen, mit anderen zu reden und so Entlastung und eine positivere Lebenseinstellung zu finden. Für Väter ist es wichtig, sich mit dem Stress in der Familie auseinanderzusetzen, zu schauen, was stresst mich, was bringt mich zum Ausrasten, welche anderen Handlungsmöglichkeiten habe ich.

Mit Dr. Döge sprach Ralf Ruhl

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