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"Gott sei Dank bist du da, der erste Boden ist schon angebrannt!”


Meine Frau wollte nicht zu früh in den Kreissaal fahren, um nicht im Park spazieren geschickt zu werden. Also war ihr Plan sich so lange wie möglich abzulenken. Man(n) kann sich in Büchern oder von Freunden über die Geburt und das davor vorbereiten, aber nicht darauf, was sich meine Frau einfallen hat lassen, um die Zeit bis zu den "richtigen” Wehen zu überbrücken. Auf das war ich nicht vorbereitet.

Ich kann mich noch an ein Gespräch mit meiner Frau erinnern, bei dem ich wissen wollte, wie viel Fruchtwasser denn bei einem Blasensprung so abgeht. Spaßeshalber fragte ich meine Frau, ob sie dann überhaupt noch in der Lage wäre den Boden zu wischen, da unser Holzboden doch gleich anfängt auf zu quellen. Meine Frau fand das nicht so lustig, ich schon. Das dieser dumme Kommentar meinerseits einmal der Beginn eines Telefongespräches werden sollte ahnte ich damals noch nicht. Am 30.09 ging ich nichts ahnend in die Arbeit. Wir waren zwar schon 2 Tage über Termin, aber bis zu 2 Wochen über Termin ist ja nichts Ungewöhnliches.

An diesem Tag war nichts Außergewöhnliches, bis um 9Uhr der Anruf meiner Frau kam. "Hallo Mausi, mir ist was passiert, ist aber nicht schlimm, ich war im Bad.” Bei diesem Satz habe ich mich auch gefragt, was mein Frau wohl meinte. "Die Fruchtblase ist geplatzt, das Wasser ist aber auf den Badfliesen gelandet, dem Boden ist also nichts passiert!” Das Grinsen meiner Frau im Gesicht habe ich förmlich vor mir gesehen. Schmunzelnd fragte ich meine Frau: "Alles klar mit Dir?” "Ja, ist nicht schlimm. Brauchst dich nicht zu beeilen, es reicht wenn du mittags nach Hause kommst. Lass Dir Zeit und bis später.” An viel Arbeit war an diesem Tag natürlich nicht mehr zu denken. Den einzigen Termin an dem Tag noch über die Bühne bringen und dann nichts wie nach Hause. Ich machte mich also gegen 12Uhr nach Hause. Als ich da Heim angekommen war und die Tür aufsperrte kam mir schon ein ziemlich leckerer Geruch entgegen und die etwas angestrengte Stimme meiner Frau: "Hallo Schatz, schön daß du da bist, der erste Boden ist mir schon angebrannt.” Ich schaute in die Küche und sah auch den Grund der Erleichterung meiner Ankunft.

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Mein Frau voll geschäftig mitten im Teig anrührend und etwas Schweiß auf der Stirn, mit der Gefahr alleine in der Küche, daß der Zweite Boden auch schon nahe am Dunkel werden dran ist. Das war also unsere Ablenkung bis die Wehen stärker werden, um dann in die Klinik fahren kann. Das wünscht man sich als Mann, der wehenden Frau beim Kuchen backen zu helfen. Jawohl. Also Ärmel hoch gekrempelt, Kochrezept studiert und angefangen den Kuchen zu voll enden.

Meine Frau war anfangs auch noch tüchtig dabei, doch immer öfter hüpfte sie in den Gang: ”Ah, ah, ah,... Ich komm gleich wieder!” Weg war sie. Wenig später wieder da. "So, jetzt geht‟s weiter!” Als dies sich wiederholte, habe ich als neugieriger Ehemann natürlich mal nachgesehen, was da meine Frau da im Flur so treibt. Auf allen Vieren, kniend und schwer atmend die "kleine” Wehe weggeatmet. Dann wieder grinsend aufgestanden: ”Geht schon wieder, ist nicht so schlimm. Schau‟ nicht so!” Der Kuchen wurde am Ende fertig. Ich war echt froh, vor allem die doofen Schokostreusel habe ich mehr scheißend an die Sahneummantelung geklatscht, denn gestrichen. Den fertigen Kuchen wollte meine Frau dann für den Kreissaal mitnehmen. Gott sei Dank dies war geschafft. Um 17Uhr kam dann unsere Hebamme zu Hause vorbei, um zu schauen was denn die Wehen so machen. Ein Service den wir auf Grund unserer Freundschaft sehr gerne angenommen haben. Von Kuchen backen mehr oder weniger paralysiert war ich echt dankbar, daß unsere Freundin gekommen ist. Als Mann ist es echt schwer seiner Frau zu helfen, gute Worte zu finden und auf zu bauen. Typisch männliche Aufgaben halt.
"Ich nehm" mal ein Bad, vielleicht kannst du schon mal den MaxiCosi ins Auto bauen. Dann ist der schon mal drin.” In solchen Situationen sind Männer für konkrete Aufgaben sehr empfänglich. Also machte ich mich auf dem Weg zum Auto. Das Einbauen hatte gefühlte 3 Tage gedauert. Die Anleitung im Vorfeld mal anschauen, iwo. Das geht so! Als ich das Auto in Sprungweite unserer Wohnung hatte und oben angekommen war, hat sich das Bild meiner Frau, das sich beim Gehen im Kopf hatte, um 180° gedreht. Meine Frau stöhnend im am Boden, konnte schon nicht mehr stehen. ALARM, oh weija, jetzt geht‟s wirklich los. Unsere Freundin schaute mich an und meinte nur:”Ich glaube wir fahren dann mal!” Wo war die Zeit hin. Ich war doch gar nicht so lange weg. Ich bin noch nicht bereit für den Kreissaal. Ich hab doch gerade den Kuchen fertig gemacht.

Ein Mann, ein Nervenbündel. Als wir alle unten waren, was auf Grund der schubweise ziemlich starken Wehen nicht so schnell ging, konnte meine Frau nicht mehr normal sitzen. Heißt den stundenlang reingepfriemelten MaxiCosi-Sitz ganz ohne Druck wieder auszubauen. Wenn deine Frau stöhnend hinter die steht echt super. Den Beifahrersitz ganz nach vorne und die Frau dahinter kniend, die befreundete Hebamme daneben ab in die Klinik. "Schatz fahr" bitte nicht zu schnell. Ruhig fahren.” Der nächste Kommentar meiner Frau nahe der Klinik war: ”Haben wir den Kuchen dabei?”
Natürlich nicht.

Wir waren so gegen 21Uhr im Kreissaal. Umgezogen und bereit für die Tat. Der Muttermund war 4cm. Erfahrungsgemäß dauert es bis 10cm noch 6 Stunden und dann noch ein bißchen, hat es geheißen. Also habe ich mich schon mal auf so 8 Stunden Kreissaal und mehr eingestellt. Dass es dann am Ende doch nur knappe 3 ein halb Stunden waren, konnte keiner wissen. Ich war froh in der Zeit meiner Frau den Steiß massieren zu können, um für ein wenig Erleichterung zu sorgen.

PDA oder ähnliches wollte Sie nicht. Hätte Sie meine Massage nicht als angenehm empfunden, hätte ich nur an Ihrer Seite stehen und wenig aktiv helfen können. Als Mann hat man nicht viele Möglichkeiten zu helfen und ist um jedes bißchen froh. Man(n) muß sich erst daran gewöhnen, eher passiv zu helfen als aktiv zu nerven. Unsere Hebamme/Freundin hat mich beim Umlagern auch immer schön eingespannt, so war nicht nur das Massieren meine Aufgabe. Am Anfang als wir im Kreissaal waren, denkt man das kann nicht schlimmer werden. Doch man irrt. Je näher wir an das Ende kamen, desto ausgepowerter war meine Frau, aber an aufhören war natürlich nicht zu denken. Männer würden glaube ich sterben. Ich zumindest. Am Ende hin konnte ich noch gut zu reden.

Unbeschreiblich seine Frau nahe an der Erschöpfung zu erleben. Ich bin stolz auf Sie, daß Sie das für unser Kind durchgestanden hat. Um 0.33 Uhr kam dann unsere Tochter auf die Welt. Am Anfang war ich hin und her gerissen, ob ich in den Kreissaal mitgehen sollte, oder nicht. Man weiß ja nicht was da einem so erwartet. Wie gut man helfen kann, ob man im Weg steht und was einem für Eindrücke erwarten. Sehe ich die Frau immer noch mit den gleichen Augen, bin ich für so was gemacht.
Danach war und bin ich unheimlich stolz auf meine Frau, dass Sie unser Kind zu Welt gebracht hat. Es war ein richtiger Kampf fast bis zur Erschöpfung. Das Erlebnis Kreissaal hat uns aus meiner Sicht näher zusammen gebracht. So eine Anstrengung, körperlich wie seelisch zusammen durchzustehen ist wunderbar. Für mich ist meine Frau eine Heldin.

So eine Geburt ist ein sehr einschneidendes Ereignis und eines der unwiederbringlichsten, wunderbarsten Momente im Leben eines Vaters. Dabei zu sein, beim ersten Moment im Leben seines Kindes. Den ersten Atemzug zu hören, die Nabelschnur zu durchschneiden und es als erster auf dem Arm zu halten. Den ersten neugierigen Blick seines Kindes zu begegnen und zu wissen, dass man dieses Persönchen bis ans Ende der Welt begleiten würde. Ja, ich bin überglücklich mit der Erfahrung und kann wieder nur sagen: "Nehmt diese Erfahrung mit. Auf ins Abenteuer Geburt!”

Alex, Vater von Elisabeth Marie

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