väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

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Ich bin Deine Welt - Erfahrungen aus zwei Jahren Teilzeitvater


Was haben mir die Jahre gebracht



Was haben mir die beiden Jahre gebracht?
Neben Krankengymnastik, da das viele unvermeidliche Rumtragen des Kindes meinen Rücken erheblich in Mitleidenschaft gezogen hat? Ein inniges und liebevolles Verhältnis zu meiner Tochter. Hoffentlich bleibt das so. Einen Einblick in eine Welt, die vielen Männern leider verborgen bleibt. Die Erkenntnis, dass man mit einem Kind selbst wieder zum Kind werden kann, und sei es nur, dass man eine große Rutsche auf dem Bauch mit dem Kopf voran runterrutscht (probiert das mal - Adrenalin pur!). Die Dankbarkeit meiner Frau (ein bisschen dankbarer könnte sie allerdings schon sein). Ein motorisch und geistig toll entwickeltes Kind. Ihr Sprachvermögen ist phänomenal (angeblich ist dafür die Kommunikation mit dem Vater entscheidend). Und wenn ich im Fernsehen Dokusoaps sehe, bei denen die Väter mit ihren Kinder alleine gelassen werden und an Kindererziehung und Haushalt verzweifeln, kann ich nur leise lächelnd den Kopf schütteln. Aber ich bin auch kein Übervater geworden. Keiner, der mit verklärtem Blick erzählt "Ein Kind ist das Wichtigste im Leben" oder "Das Kind ist Beste, was mir je passiert ist." Ne, ne, soweit geht die Liebe dann doch nicht.

Hat die Teilzeit meine Karriere behindert?



Aber man soll es auch nicht glorifizieren. In anderer Weise waren diese Jahre auch negativ prägend. Wie schon mein Behördenleiter angekündigt hat, ist meine Karriere jedenfalls angehalten. Zwar bin ich inzwischen aufgrund einer allgemeinen Umorganisation meiner Behörde wieder auf einem normalen Dienstposten gelandet. Ein Kollege, der mit mir eingestellt wurde und sein Kind pflichtgemäß in die Krippe gab, ist aber inzwischen befördert worden und zum Referatsleiter aufgestiegen. Ich habe selbst in weiter Entfernung keine Beförderung in Aussicht. Aber ehrlich gesagt ist mir das inzwischen wirklich egal geworden. Es gibt Wichtigeres.

Alleinerziehende Väter sind die Ausnahme



Als wirklich erziehender Vater ist man sicher auch heute noch eine Ausnahme. Von all den Behörden in der Landesregierung, für die ich arbeite, gibt es meines Wissens nur einen einzigen Vater, der das gleiche Modell gewählt hat. Nach wie vor gilt, dass die Frau zu Hause bleibt und der Mann Karriere macht. Und das selbst bei intelligenten, gebildeten Paaren. Nehmen wir ein befreundetes Paar. Beide im öffentlichen Dienst in der gleichen Gehaltsgruppe. Doch sie übernimmt allein die Erziehung. Ihre Begründung: "Ich glaube ja schon, dass Mark das Kind übernehmen könnte. Aber dann müsste er ja auch noch den Haushalt machen. Und das schafft er ja nicht, weil er das bisher auch nie gemacht hat." Ein modernes Paar im Jahr 2008!

Wie sehr man als alleinerziehender Vater die Ausnahmeerscheinung ist, zeigt sich doch permanent im täglichen Leben. Die speziellen Parkplätze am Eingang des Supermarkts für "Mutter + Kind" - klar: Väter dürfen die Kinder über den ganzen Parkplatz tragen. Das Programm der Sozialstation - "dieser Kurs richtet sich an Mütter, die......". Das Fitnessstudio, das mit einer Betreuung für Kinder wirbt - und nur für Frauen ist. Internetforen über Kinderbetreuung gibt es zuhauf - aber kaum Männer schreiben darin. Allenfalls in Foren über Scheidungskinder oder sexuelle Probleme.

Ein Papa und viele, viele Mütter



Als ich mit diesen zwei Jahren anfing, machte ich mir eigentlich keine Sorgen über mein gesellschaftliches Leben. Im Gegenteil: Als Vater mit Kind würde ich schon bald zum umjubelten Hahn im Korb aufsteigen. Die Frauen würden sich um mich Ausnahmemann nur so scharen und ich würde mich vor Angeboten zu gemeinsamen Unternehmungen, Krabbelgruppen etc. nicht retten können.

Tatsächlich musste ich aber in der Praxis feststellen, dass sich meine Spielplatzbekanntschaften in sehr engen Grenzen hielten. In den ganzen 2 Jahren ist es mir gelungen, genau eine (EINE!) gemeinsame Unternehmung zu erreichen - mit einer Mutter, die ich ohnehin aus der Nachbarschaft gut kannte.
Ein Mann mit einem Kind auf dem Spielplatz strahlt offenbar nicht die Botschaft aus: "Kümmert sich liebevoll und ausdauernd um sein Kind. Also toller Typ. Also unbedingt kennenlernen." Sondern: "Achtung: er hat ein Kind. Also lebt er in einer Partnerschaft. Also Finger weg!". Und vielleicht auch: "Kümmert sich um sein Kind. Achtung, Weichei und Warmduscher, kein echter Mann." Irgendwann prägte ich für mich den Satz "Über den modernen Mann reden alle; nur mit ihm will keine reden."

Ohnehin habe ich oft den Eindruck, das man als erziehender Vater von einem Teil der Frauen als unwillkommene, ja unnatürliche Konkurrenz angesehen wird. Bezeichnend fand ich dazu den Umgang mit einem stern.de-blog. Hier hatte ein erziehender Vater humorvoll seinen neuen Alltag mit seiner Tochter beschrieben und offen seine Probleme und Unzulänglichkeiten geschildert. Das war natürlich ein Fehler. Er wurde in Kommentaren der Leserinnen (die zum Teil noch nicht mal Kinder hatten) so niedergemacht, dass er nach 3 Beiträgen den Blog einstellte. Nur weil er zugegeben hatte, dass er doch seiner Tochter lieber Gläschen als selbstgekochtes Essen verabreichte.

2 Jahre für Tanja - Einwenig ist jetzt genug



Die zwei Jahre Teilzeitvater nähern sich rapide dem Ende. Der Kindergarten ist ausgesucht. Dann wird Tanja sich mehr von uns abkoppeln und wir von ihr. Ich werde mit ihr zum klassischen Vater werden - abends und am Wochenende halt. Das ist gar nicht so schlecht. Nach 2 Jahren intensiver Betreuung reicht es langsam. Ich möchte aufwachen, ohne mir an jedem Morgen zunächst einmal Gedanken darüber zu machen, wie ich sie heute betreuen und unterhalten werde. Ich möchte aufwachen und wenn es mal wieder tagelang regnet, einfach sagen können: "Es regnet? Wir können nicht rausgehen? Das ist das Problem des Kindergartens."


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