väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

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Ich bin Deine Welt - Erfahrungen aus zwei Jahren Teilzeitvater


Zwei Jahre vergingen



Und so vergingen letztlich die zwei Jahre. Natürlich gab es immer wieder Anpassungen. Meine Frau arbeitete dann 5 Stunden täglich. Dann tauschten wir mal die Schichten. In der Regel lief alles ohne Probleme. Eine gewisse Zeit machte Tanja plötzlich Probleme bei der Übergabe. Heulte, weil einer kam oder weil der andere ging. War aber genauso schnell auch wieder ruhig. Wohl eher eine Machtprobe als wirkliche Verlustängste.

Eine richtige Belastungsprobe ergab sich, als meine Frau aufgrund eines Großeinsatzes ein komplettes Wochenende jeweils 12 Stunden täglich arbeiten musste. Was mich mit gewisser Panik erfüllte. Ein halber Tag war ja okay, aber gleich zwei komplette? Würde Tanja auch das akzeptieren? Aber es war erstaunlich, es ging ohne Probleme. Tanja meinte einfach: "Mama arbeiten. Warten. Mama kommt bald wieder" und damit war alles in Ordnung.
Ohnehin kann ich mich natürlich nicht beklagen. Was ich gerade mal ein Wochenende hatte, nämlich ein Kind von morgens bis abends betreuen, haben viele Frauen jeden Tag.

Es wird immer einfacher



Und natürlich wurde es auch mit der Zeit tendenziell einfacher. Inzwischen ist Tanja bald 3 Jahre alt und braucht viel weniger Betreuung als am Anfang. Manchmal kann ich die Stunden mit ihr richtig genießen - morgens gemütlich im Bett rumliegen, ein nettes Petterson&Findus-Buch anschauen, in aller Ruhe frühstücken, und dann die nächsten Stunden bis zur Übergabe ein bisschen einkaufen oder vielleicht in den Zoo (für den ich natürlich längst eine Jahreskarte habe)? Oder einfach nur um die Ecke auf den Spielplatz und dort ein bisschen in der Sonne sitzen oder mit ihr klettern und rutschen?

An diesen Tagen geht die mittägliche Übergabe auch schnell. Die Mitteilung der "technischen Daten" - wann aufgestanden, was wann gegessen, wann zuletzt auf dem Klo, schon ihr großes Geschäft erledigt? - dauert oft nur noch 2 Minuten.

Aber es gibt natürlich auch andere Tage. Tage, an denen Tanja müde und unausgeglichen ist, ich ihr nichts recht machen kann und es auch noch den 7. Tag in Folge in Strömen regnet. Oder - ich gebe es zu - Tage, an denen ICH müde und unausgeglichen bin und Tanja mir nichts recht machen kann. Ja, ich bin auch nur ein Mensch. Und meine ursprünglichen heiligen Schwüre, dass ich immer ein freundlicher und liebevoller Vater sein würde und nie, nie, nie auch nur im geringsten meine Stimme gegen sie erheben würde - na ja, ich bemühe mich. Aber es gelingt nicht immer. Gott sei Dank ist Tanja ein kleiner Sonnenschein, der mir das dankenswerterweise nicht übel nimmt.

Konkurrenz der Erziehungsstile



Ein gewisses Problem, das man bei dieser Form der Teilzeiterziehung nicht übersehen darf, ist das Zusammentreffen verschiedener Erziehungsstile. Schließlich hat nun wirklich jeder von uns beiden Eltern Tanja für einen halben Tag und wirkt auf sie ein. Also anders als bei der klassischen Beziehung, in der einer - oder in den meisten Fällen eine - für die Erziehung verantwortlich ist und das andere Elternteil, sprich der Vater, sich anpasst. Bei Teilzeiterziehung kann es natürlich schon Unterschiede geben. Was erlaubt man, was erlaubt man nicht? Wo darf sie z.B. alleine an der Straße langgehen, wo muss sie an der Hand gehen? Das Problem wird dann natürlich noch größer, wenn Tanja mit scheinheiligstem Gesicht behauptet: "Bei Mama/Papa darf ich das aber" - kleine Lügnerin. Hier hilft nur eines, nämlich sich täglich über die kleinen und großen Taten des Tages auszutauschen. Wo waren wir, was haben wir gemacht, was darf sie, was nicht, was hat sie gegessen, was getrunken?

Mama für drinnen, Papa für draußen



Interessanterweise finden sich doch nach wie vor deutliche Unterschiede, wie wir uns mit Tanja beschäftigen. Meine Frau hat nicht die geringsten Probleme die ganze Zeit mit Tanja zu hause zu bleiben, um dort Legotürme zu bauen, mit den Kuscheltieren zu spielen oder Bücher vorzulesen. Das mache ich zwar auch, aber mich zieht es doch stark nach draußen. Einkaufen gehen oder in die Stadt, in den Zoo, ins Schwimmbad oder auf einen der diversen Spielplätze (inzwischen könnte ich einen Führer über sie schreiben). Unter meiner Aufsicht hat sich Tanja zu einer gefürchteten Kletterin auf Spielplätzen entwickelt - kein Gerüst ist ihr zu hoch, keine Rutsche zu steil. Locker hängt sie 5-jährige ab.
Letztlich muss man das als sinnvolle Ergänzung ansehen. Was meine Frau hat mir ihr nicht macht, mache ich halt. Und umgekehrt.

Übrigens klappt das Ganze weit weniger, wenn wir alle drei zusammen sind. Denn dann treffen die Erziehungsstile durchaus aufeinander. Ich bin eher strenger und achte auf klare Anweisungen und deren Durchsetzung. Was Tanja akzeptiert. Meine Frau ist weicher und lässt auch mal 5 grade sein. Was Tanja natürlich auch akzeptiert. Und das führt schon zu Differenzen, zumal Tanja durchaus inzwischen in einem Alter ist, wo man diese Situation bewusst oder unbewusst ausnutzen kann. Frei nach dem Motto: Wenn Papa etwas verbietet, versuche ich es bei Mama. Auch da ist es wesentlich, sich immer wieder als Eltern auszutauschen und versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden und durchzuhalten.

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