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30.09.2013 48. Woche
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Eine Woche ohne Familie

Gesundheit kaputt, Ehe in ihrer größten Krise. Mein Herz schlägt nun für sich allein.
*** Ergänzung:

Diesen Blogeintrag hatte ich schon vor Wochen und pünktlich fertig. Als ich ihn senden wollte, ging meine Technik kaputt, dann ging meine Gesundheit kaputt und meine Ehe ist in ihrer größten Krise. Daher wird dies der - vorläufig - letzte Eintrag in das Tagebuch von mir sein.

Im Moment ist die Technik wieder heil, ich bin nur bedingt arbeitsfähig und die Frau zieht gerade mit den Kindern in eine eigene Wohnung. Das Schöne dabei ist aber, dass das der momentane einzig richtige Schritt ist. Es ist wieder Bewegung in unserem Leben. Mein Herz schlägt aber nun für sich alleine und vermisst so sehr sein Gegenüber mit dem es sich so sehr verbunden fühlt.

Die Kinder können es nicht verstehen, gehen aber auf ihre Weise damit um. Sie wollen die Trennung nicht. Ich bin bei einer Freundin und als ich abfuhr gab es von der ersten Tochter ein Bild mit einem kleinen Schulmädchen mit Sommersprossen, das aus dem Haus kommt und aus dem Bild fröhlich winkt. Ich sag ihr, was ich meine zu sehen. "Nein, das ist nicht die Schule. Und das Mädchen ist der Papa wie er auszieht und die Sommersprossen sind die Tränen." Die zweite Tochter gab ein Bild mit drei roten Kopffüßlern ab. Ein großer roter lachender, zwei kleine ohne Mund. "Das ist die Mama. Die freut sich, dass der Papa weggeht. Und das sind die Kinder, die weinen." Ich habe meine Sachen gepackt und überlege, was ich noch brauche. Antwortet die zweite Tochter: "Taschentücher."

Und wisst ihr was, es ist alles Liebe und es ist alles gut, auch wenn es bei mir erstmal wehtut. Jetzt komme ich an erster Stelle und das Referendariat. Die anderen kümmern sich um ihrs und ich um meins. Alles Liebe!

***

Eine Woche ohne Familie liegt hinter mir. Eine Woche, in der ich mich auf die kommenden Wochen und Monate versuchte einzustimmen. Doch war es auch eine Woche, in der wir an den Winter dachten und Vorbereitungen für die kalte Jahreszeit trafen. Noch sind unsere Räume nicht beheizbar, noch ist die Küche in ihrer Sanierung ein Rohbau und kann man vom Spitzboden aus den Himmel sehen - auch ohne Fenster. Am allen Ecken und Kanten gibt's was zu tun.

Dabei werde ich wehmütig. Heute ist wieder ein wundervoller Sommertag und doch sind die Gedanken auf die kurzen Tage ausgerichtet. Die Vögel singen nicht mehr und die Schwalben sind mit ihrer zweiten Brut durch. Alle sind flügge und ausgeflogen. Die Sonne wärmt so, dass ich mich freue, wenn sie auf mich scheint und es schade finde, dass sie von unserer noch zu fällenden Eiche aufgehalten wird.

Den Kindern geht es ähnlich, nur genießen sie die die Sonne auf eine direktere Art, ohne dabei an später zu denken. Sie ziehen sich nackig aus und rufen: "Ich bin ein Sommerkind! Ich bin ein Sommerkind!" Eigentlich viel besser, da ihnen die Wehmut den Moment nicht trübt.

Das Wochenende stand ganz im Zeichen des Polterabends meines Schwagers. So waren wir in Sachsen und feierten und trafen liebe Menschen. Es war richtig schön. Meine Schwiegereltern sind tolle Gastgeber, ich durfte den Grill bedienen und es war eine schöne Feier. In zwei Wochen geht es dann mit der Trauung weiter und dazwischen ist die Schuleinführung der ersten Tochter.

Diese hat in einer Woche ohne mich einen weiteren Zahn verloren und hat das Schaukeln gelernt. Ich frage mich, wie man das jemandem beibringt. Hmm. Jedenfalls kann sie schaukeln, bevor sie in die Schule kommt und ich bin sehr stolz.

Nach einer Woche ohne Papa war die erste Tochter sehr auf Schmusen aus und wollte mich sehr für sich allein. Da passte es ihr garnicht, dass Ulla, die kleine Hexe Gaigals (also die zweite Tochter) auch Ansprüche auf den Papa geltend macht und dann kommt es zu Querelen. Gut, dass der Bruder als Überraschung meine alte Spielburg in der Scheune reaktivierte und die nun der ersten Tochter als geheimer Rückzugsort dient. Die ist so glücklich darüber, dass sie einen Tag später die Spielplattform gleich der kleinen Schwester zeigen musste, obwohl dadurch der Sinn, den wir Erwachsene dahinein legten, obsolet ist.

Dafür ist dies seit dem DIE Kinderecke schlecht hin. Hier wird gegessen, es wird alles gemütlich eingerichtet, es werden Pläne gemacht, wie was wird und was noch alles fehlt. Die Kinder ziehen um - aus dem Wohnhaus in ihre Burg und sind fleißig mit der Einrichtung beschäftigt. Blumen in einer Vase, ein Tisch mit Tischdecke und Wandbehänge - es mangelt an nichts. Ich glaube, es ist wichtig, dass Kinder ihr eigenes Reich haben, in das wir Erwachsene nicht reinreden. So eine Bude ist dafür ein guter Anfang.

Meine Familie sah ich zum Polterabend wieder. Da konnte ich mir dann auch ansehen, mit welchen Geschenken die Töchter bedacht wurden. So viele Zuckertüten auf einmal, hatte ich noch nicht gesehen. Vom Waldkindergarten gab es Trockenfrüchte, eine Kette mit einigen bunten Holzperlen, eine Mappe mit den gesammelten Werken von drei Jahren künstlerischer Tätigkeit der ersten Tochter und eine wunderschöne Fotomappe. Richtig was fürs Herz. Bei den Unterlagen gab es auch zwei Interviewbögen verschiedener Jahre, die die sich entwickelnden Ansichten der Tochter dokumentieren - schön. "Orange ist meine Lieblingsfarbe." Drei Jahre später: "Das ist bei mir verschieden. Ich mag viele Farben. Doch zur Zeit ist meine Lieblingsfarbe Orange."

Und einen weiteren Zahn ist sie gerade eben auch schon wieder los. Diesen konnte ich direkt bekommen. Also in Summe sind nun zwei gefallen.

Wenn wir mal wieder in Sachsen sind, dann ist da gleich soviel los, dass wir uns nicht entscheiden können. Die Waldschlösschenbrücke wurde eingeweiht. Alle verkünden, die sei ja nun doch nicht so schlecht und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung sei gestiegen. Mag ja stimmen. Ein Tunnel wäre mir lieber gewesen. Das ist meine persönliche Meinung. Was mich aber wirklich an dem Bauwerk stört, ist die Art und Weise, in der der Bau forciert wurde, wie darüber diskutiert wurde (vor hundert Jahren wurde sie schon geplant, wir haben sie nun gebaut) und dass höhere Prinzipien auf Kosten einer utilitaristischen Argumentation missachtet wurden. Denn warum wurde die Brücke vor hundert Jahren nicht gebaut? Weil diese breite und Schöne Elbwiese ein bewahrenswertes Gut für die Menschen darstellt - für die, die heute leben und für die noch kommenden Generationen. Tja, futsch ist futsch und hin ist hin.

Aber es gab noch das Hechtfest und zwei Einladungen zum Schulanfang von Kindern von Freunden. Wir entschieden uns für die Familie und den Polterabend.

Bei dem Fest im Wald war die zweite Tochter unheimlich aufgedreht und ließ sich von der Feierstimmung mitreißen. Sie erzählte Witze und lustige Begebenheiten aus ihrem Leben und ihrer "Liebliwelt" - einiges ausgedacht und auch nicht immer für fremde Ohren geeignet. Ich beneidete die Frau im Nachhinein nicht, dass Zuckertütenfest besucht zu haben. Eine Sache ist so köstlich aber gewesen und ich habe keine Ahnung, ob sich das auch geschrieben so gut transportieren lasst:
Kommt eine Frau begeistert zur zweiten Tochter : "Hey, mein Kind hat auch so einen. Wie heißt denn dein Pinguin?" Die zweite Tochter schaut ungläubig verwundert die Frau an: "Pinguin!" Ja, wie denn sonst.

Eine gute Woche wünscht euch
Herr Gaigals

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Kommentare von Lesern:

 
Volker aus Kassel:
04.10.2013 17:53
Ich wünsche Dir, dass Dein Herz vielleicht in Zukunft doch nicht so allein schlägt, wie du hier andeutest. Das kam ja sehr unvermittelt mit der Trennung - ist es so entgültig, wie Bertold vermutet? Ich drücke Euch die Daumen, auch mit Blick auf deine beiden Töchter, dass Ihr einen Weg findet der auch für die Kinder gut ist. Kinder brauchen ihren Vater!
Wie viele hier freue ich mich sehr, wenn ich wieder von Dir lesen kann, deine Schilderungen waren sehr lebendig, gedankenvoll und oft auf eine sehr sympatische Art unkonventionell. Vielen Dank dafür!
Bertold, Freiburg:
01.10.2013 09:03
Oh Mann, das tut mir echt leid mit der Trennung. Ich hoffe, Ihr kriegt das gut hin, dass Du den Kontakt zu Deinen Kindern halten und gut gestalten kannst. Wenn das gut läuft, gehen nach meiner Erfahrung die gesundheitlichen Probleme auch wieder klar zurück. Ich finde es gut, dass Du so offen in Deinem Tagebuch darüber schreibst, eben nicht nur "alles im Grünen Bereich". Ich hoffe, ich kann weiterhin daran teilhaben, wie sich Deine Familiensituation gestaltet und Deine Tagebucheinträge lesen!
Kai, Rheinland:
01.10.2013 07:57
Lieber Herr Gaigals,

ich habe Deine Tagebucheinträge immer sehr gerne gelesen, Du hast immer schöne Geschichten zu erzählen. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute, auf das wieder zusammenwächst, was zusammengehört.

Und inständig hoffe ich auch, dass das nicht der letzte Tagebucheintrag war.

herzlichst Grüßt
Kai

Tagebuch Herr Gaigals

Herr Gaigals
Alter: 36
Wohnort: bei Dresden
Beruf: Krankenpfleger und zukünftig Lehrer
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 2 Töchter, 5 und 2 Jahre
Letzter Eintrag: 30.09.2013

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