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Ein störrischer Pionier


Ich beneide Väter von heute. Kein Arzt, keine Hebamme würde sich mehr trauen, einen Vater von der Geburt seines Kindes auszuschließen. Das war nicht immer so und ich rechne mich zu den störrischen Pionieren, die dafür kämpften, dass Väter bei der Geburt bei ihrer Kinder dabei sein dürfen.

Das erste Kind: Ein Blick hinter Glas

Mein erstes Kind hatte sich 1973 angekündigt und ich brachte meine Frau in die Frauenklinik in Kiel. Am Eingang wurde sie von einer Hebamme vereinnahmt, die mich gleich wieder nach Hause schickte. Es sei ja noch lange nicht so weit, ich solle morgen anrufen, aber nicht vor acht Uhr.

Eine lange Nacht wollte nicht vergehen und endlich war es acht Uhr. Ich rief an und eine Krankenschwester machte mir klar, dass es keinen Grund zur Aufregung gebe. Es sei ja noch lange nicht soweit, ich solle heute Abend noch einmal anrufen, aber nicht vor sechs Uhr. Nein, besuchen dürfe ich meine Frau nicht, sie liege im Kreissaal und da dürfe ich nicht hinein.

Endlich war es achtzehn Uhr und ich rief wieder an. Nun gratulierte mir eine Krankenschwester zur Geburt einer gesunden Tochter. Sie war früh am Morgen um halb sechs zur Welt gekommen. Meine Frau dürfe ich morgen besuchen, die Besuchszeit sei von vierzehn bis fünfzehn Uhr.

Eine zweite Nacht, die nicht enden wollte, ging schließlich doch zu Ende und mit einem Strauß Rosen in der Hand stürmte ich am Nachmittag die Klinik. Meiner Frau ging es gut und sie erklärte mir, wie ich auch unsere Tochter sehen könne: Auf dem Flur gab es eine Tür mit einem Fensterausschnitt. Davor standen einige Männer mit Zetteln in der Hand, auf die sie ihre Namen geschrieben hatten. Ich schrieb meinen Namen auch auf einen Zettel und stellte mich an. Als ich dran war, hielt ich den Zettel an die Scheibe und die Schwester, die gerade dem Vater vor mir ein Kind gezeigt hatte, verschwand. Dann kam sie zurück hielt kurze Zeit ein Bündel hoch, aus dem ein zerknautschtes, schlafendes Babygesicht zu sehen war. Ich zweifelte ein wenig, ob es nicht das gleiche Gesicht war, das bereits der Vater vor mir gezeigt bekommen hatte.

Als ich meine beiden Frauen aus der Klinik abholte, packte eine Schwester meine Tochter in die mitgebrachte Tragetasche und brachte uns bis ans Auto. Endlich, zu Hause, packte ich das Bündel aus der Tragetasche aus und durfte zum ersten Mal meine Tochter in den Arm nehmen.

Das zweite Kind: Ein Fotodokument

Unter den missbilligenden Blicken seiner Sprechstundenhilfe ging ich 1977 mit meiner Frau in das Behandlungszimmer ihres Frauenarztes. Ich erklärte ihm, dass ich bei der Geburt meines Kindes dabei sein möchte. Der lehnte dies schroff ab. Was ich da denn eigentlich wolle? Schließlich würde ich ja auch nicht dabei sein, wenn mein Auto in der Werkstatt repariert würde.

Erstens ist das falsch, ich weiß gerne, was an meinem Auto kaputt ist und wie man es repariert. Zweitens ist ja wohl eine Autoreparatur etwas anderes als eine Geburt, vor allem des eigenen Kindes. Meine Frau hatte also den falschen Arzt. Folglich suchte ich den richtigen und fand ihn in einer Privatklinik, 75 km von unserem Wohnort, inzwischen wohnten wir im Sauerland, entfernt.

Als die Wehen einsetzten, schneite es dicke Flocken und im Schneetreiben erreichten wir die Klinik. Ich war die ganze Zeit bei meiner Frau und erlebte die Geburt unseres ältesten Sohnes mit ihr. Allerdings hatte ich nicht gewusst, dass der Arzt etwas erfunden hatte, um den Frauen die Geburt zu erleichtern. Er schob eine endlos lange Kanüle in meine Frau hinein, um ein schmerzlinderndes Mittel direkt an der Wirbelsäule zu injizieren. Ich fragte mich, wie er eigentlich sicher sein konnte, damit nicht das Baby zu durchbohren und dabei wurde mir schwarz vor den Augen.

Als ich wieder zu mir kam, wurde gerade ein Fotoapparat gebracht, um das Drama zu dokumentieren und ich bekam eine Tasse Kaffee. Ohne weitere Zwischenfälle wurde mein ältester Sohn geboren. Ich durfte ihn unmittelbar nach der Geburt in den Arm nehmen und dieses Glücksgefühl werde ich nie mehr vergessen.
Das dritte Kind: Ein erfahrener Vater

1981 wusste der Arzt, dass ich bereits Geburtserfahrung hatte und es war es selbstverständlich, dass ich wieder bei meiner Frau war. Es kamen keine riesigen Kanülen zum Einsatz und wir bekamen alles erklärt, was Arzt und Hebamme gerade machten.

Das vierte Kind: Einschlafen bei der Gymnastik

Als sich 1984 wieder Nachwuchs ankündigte, brauchten inzwischen die Väter auch nicht mehr bei der Schwangerschaftsgymnastik draußen warten. Allerdings erlebte ich, dass die Entspannungsübungen so entspannend sind, dass ich zur Erheiterung aller anderen Mütter und Väter dabei einschlief. Dass ich auch bei der Geburt meines jüngsten Sohnes dabei war, brauche ich wohl nicht besonders zu erwähnen.

Es hat sich viel in den letzten Jahrzehnten verändert und ich freue mich heute mit allen Eltern, die gemeinsam die Ankunft ihres Kindes in der Familie erleben dürfen.

Norbert, 65 Jahre, Rentner, lebt mit seiner Frau und zwei Bayerischen Gebirgsschweißhunden auf dem Lande.

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