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11.05.2011 1. Woche
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Die ersten vier Wochen als Vollzeitvater

Ich berichte hier über meine Erlebnisse als Vollzeitvater, beginnend mit der Geburt meines Sohnes. Viel Spaß beim Lesen und nicht alles was ich schreibe zu Ernst nehmen, vielen Dank.
Ich hatte es nie geplant Vollzeitvater zu werden, jetzt bin ich es.

Meine Frau und ich hatten schon sehr früh in unserer Beziehung den Deal: “Wer weniger Geld verdient, bleibt zuhause”. Dass ich das sein würde, hatte sie sicher nicht erwartet.

Ich im übrigen auch nicht, obwohl wir eine ähnliche Ausbildung, genaugenommen die gleiche Ausbildung gemacht haben. Als sich nun Nachwuchs ankündigte war unsere persönliche Rollenaufteilung klar. Ich schmeiße den Haushalt und kümmere mich um das Kind, meine Frau geht nach den zwei “Vätermonaten”, in ihrem Fall die Mutterschutzfrist, wieder arbeiten.

Vor der Geburt unseres Sohnes habe ich mich noch sehr zurückgehalten, ich habe weder "Hechelkurse" noch andere Veranstaltungen dieser Art besucht. Ich vermute es lag, zumindest bei mir, daran, dass ich eben noch nicht Vater war. Dies änderte sich dann ja im wahrsten Sinne von heute auf morgen.

Genauso wenig wie Kurse zu besuchen, hatte ich vor der Geburt irgendwelche Bücher und Ratgeber gelesen. In diesem Punkt waren meine Frau ich uns einig, denn wir wollten uns selbst nicht bekloppt machen. Natürlich konnten wir nicht verhindern, dass man uns zumindest ein Buch schenkt.

In diesem Buch stehen viele nützliche Dinge drin und ein wenig Blödsinn, dies dachte ich zumindest. Unter anderem gab es Tipps für die Tage vor der Geburt, wie zum Beispiel "Sorgen Sie dafür, dass der Tank Ihres Autos immer halb voll ist." Toller Tipp, dachte ich, unser Wagen schafft etwas über 1000 Km, was denken die Autoren, in welche Klinik ich fahre, wenn die eigene Frau schreit, dass es los geht?

Natürlich habe ich trotzdem immer drauf geachtet, dass der Tank mindestens noch 500 Km Reichweite hat.

Am 15. April, morgens um 3:30 Uhr kamen, etwas unerwartet, da 15 Tage zu früh, die besagten Worte.
Keine Panik. Alles ist gut vorbereitet. Das vorher gepackte Köfferchen gegriffen und ab zu unserem Auto.

Nach 150 Metern, meine Frau schimpfte bereits ordentlich, dachte ich nur: "Mist, wo hatte ich nochmal geparkt?" Natürlich genau in der anderen Richtung, also insgesamt 300 Meter zurück.

Warum stand im Buch nicht: "Merken Sie sich, wo Sie geparkt haben, immer!"

Wir haben es dann aber doch ohne weitere Schwierigkeiten in die Klinik geschafft. Um 6:34 Uhr kam mein Sohn zur Welt, hier die technischen Daten:

Typ: Junge
Größe: 52cm
Gewicht: 3090g

Anfangs haben wir mögliche Namen für unseren Sohn mit Freunden und der Familie offen diskutiert, dann aber schnell festgestellt, dass dies keine besonders gute Idee ist. Also machten wir genau das Gegenteil, wir haben einfach mit niemanden mehr darüber gesprochen, auch nicht, als wir den Namen schon gefunden hatten.

Das hat die Menschen in unserer Nähe in den schieren Wahnsinn getrieben. Wir wurden regelrecht mit Fragen gelöchert. Freunde von uns haben meine Friseurin auf mich angesetzt, und die versteht ihr Handwerk. Wäre ich mit Ketten an den Stuhl gebunden gewesen, es hätte ein Verhör in einem russischen Spionagezentrum sein können.

Aber ich blieb standhaft und verriet nichts, selbst als meine 94 Jahre alte Omi ihre Trumpfkarte ausspielte:

Meine Omi: "Aber deiner Oma verrätst du doch den Namen eures Kindes, oder etwa nicht?"
Ich: "Nein, Oma, auch du musst warten."
Meine Omi: "Und wenn ich jetzt sterbe, dann habe ich nie erfahren, wie mein Urenkel heißt."

Den Namen zu finden war allerdings wesentlich schwerer, als diesen anschließend einfach keinem zu verraten. Dabei haben wir es in Deutschland ja sogar recht einfach. In China ist es üblich, dass in einer Klasse mit dreißig Kindern, zehn den gleichen Nachnamen haben, da wird die Wahl des richtigen Vornamens zu einer Kunstform.

Traditionell ist es ja absolut üblich, einen Namen aus dem eigenem Stammbaum zu wählen. Die Idee fand ich an sich gar nicht so übel, also flott in meinen Stammbaum geblickt. Was haben wir denn da?

Peter (3x), Franz, Johannes, Theodor (2x), Maximilian, das hätte schlimmer kommen können. ;)

Immerhin, mit mir, neun Generationen. Aber irgendwie kamen wir davon ab. Um die Diskussionszeit untereinder zu verkürzen, stellten wir einige Regeln für die Namensfindung auf:

Keinen Namen aus den Deutschen "Top Ten" der letzten 10 Jahre
Keinen Namen von Freunden, Verwandten und Arbeitskollegen
Keinen Namen von Leuten aus unserer Schulzeit, die wir doof fanden
Nur einsilbige Vornamen
Keinen Namen der auf "S" endet oder mir "L" anfängt
Keinen Namen, den unsere Eltern nicht aussprechen können, zum Beispiel "Jean-Luc"
Keine Doppelnamen

Eines abends sagte meine Frau: "Wie wäre es mit Piet?"
Ich antwortete mit: "Piet passt."

Damit war die Namensfindung sehr früh abgeschlossen. Ein Patzer ist uns dann doch passiert.

Meine holländischen Verwandten sagten direkt:

"Pit, das ist ein holländischer Name."
"Nee, nicht Pit der heißt Piet."
"Ja genau, Pit wird Piet geschrieben".

Naja, dachte ich, wir sind in Deutschland, hier wird "ie" auch wie "ie" ausgesprochen.

Denkste.

Noch im Krankenhaus traf ich meine, urdeutsche, Schwiegermutter:

"Nimmst du Pit morgen mit nach Hause?"
"Christel, der heißt PIET."
"Ja, sag ich doch, Pit."

Soviel zur Regel, keinen Namen, den unsere Eltern nicht aussprechen können.

Nach drei Tagen habe ich meine Frau und Piet aus dem Krankenhaus nach Hause holen können. Das war recht früh, bedenkt man, dass die Geburt per Kaiserschnitt stattgefunden hat. Aber die Ärzte waren soweit zufrieden und ich kann meine Frau definitiv besser zuhause betüddeln.

Nach einigen Schwierigkeiten, den Kinderwagen zu bedienen und herauszufinden, wie ein Kindersitz im Wagen richtig befestigt wird, sind wir aber sicher und zufrieden im trauten Heim angekommen. Wir hatten uns gerade wieder häuslich eigerichtet, da bricht meine Frau in Tränen aus.

Alles ist prima, Piet ist gesund, das "Nest" wurde von mir fristgerecht renoviert und fertig gestellt, und meine Frau kann schon wieder laufen. Alles ist gut, warum fließen jetzt die Tränen?
Oh, ich hatte da was im Krankenhaus am schwarzen Brett gelesen, das nannte sich "Heultage" oder "Babyblues". Also, das tun, was Männer am besten können, ignorieren.

Nein, natürlich trösten, dafür bin ich ja schließlich da.

Dass es mit einem Baby zu Hause hart werden würde, haben alle vorher gesagt. Dennoch macht man sich ja Pläne, wie man es angehen könnte. Die funktionieren natürlich alle nicht, denn es gibt ja nur noch einen hier im Haushalt, der den Ton angibt.

Junge, Junge, jede Stunde aufstehen, füttern oder wickeln, immerhin bekommt man so Routine.
Wickeln kann ich jetzt im Schlaf. Meine Frau hat übrigens super geschlafen. Es hilft natürlich schon, wenn man sich zu zweit kümmern kann. Im Krankenhaus musste sie sich ja komplett alleine mit Piet rumschlagen.

Solange er auf einem von uns drauf lag, war alles prima, aber wehe er sollte in sein Bett. Keine Chance.
Also haben wir sein Bett in unseres geholt. Mit Händchen halten ging es dann, so ab 5:00 Uhr morgens.
Um sieben sind wir dann aufgestanden. Ich fühlte mich wie nach einem Flug von Deutschland nach China mit zwölf Zwischenlandungen und einer netten Zeitverschiebung. Das war also die erste Nacht zu Hause, Hilfe.

Wir hatten uns einige Sorgen wegen unserer Katze gemacht. Das Kimba, die sehr gerne kuschelt, sich auf das Baby legen könnte, kratzen würde, oder sonst irgendwas machen würde, dass uns nicht gefällt. Aber nichts von alle dem. Piet wurde ausgiebig beschnüffelt und als Familienmitglied aktzeptiert. Viel mehr noch, Kimba ist ja selbst erfahrene Mutter, sie hat stets gut aufgepasst uns sofort geweckt, wenn Piet quengelte.
Nicht, dass es nötig gewesen wäre, uns zu wecken.

In der Schwangerschaft sollten ja einige Lebensmittel nicht verzehrt werden.
Salami, Mett, Leber, Sushi, Rohmilchkäse und Alkohol aller Art müssen von Speiseplan gestrichen werden. Über die Zeit von mehreren Monaten können so bei der Schwangeren enorme Gelüste entstehen, zumindest bei meiner Frau. Kaum war das Kind einen Tag auf der Welt, kam ein Anruf: "Bevor du heute in das Krankenhaus kommst, gehst du zur Bäckerei gegenüber und bringst mir ein Mettbrötchen mit."

O.K., wie sie möchte.

Als wir dann wieder zu Hause waren, fragte ich nach dem Wunsch zum Abendessen. Die Antwort kam sehr schnell: "Leber, und wenn du schon einkaufen gehst, bring Salami mit." Also gab es Leber auf Feldsalat mit Senf-Orangensaft-Dressing und Rotwein-Portwein-Zwiebeln. Mal sehen, wann Sie sich Sushi wünscht.

Die zweite Nacht mit Piet war eine Wiederholung der Ersten, bloß mit anderen Werbepausen. Jede Stunde wecken, in Russland ist das, glaube ich, eine legale Foltermethode. Dieses Gefühl, völlig neben der Spur zu hängen, kenne ich zur Genüge von meinen Fernreisen nach Asien. Schlafmangel ist wirklich etwas fieses.
Mein Kurzzeitgedächtnis ist aktuell "out of order". Das kann echt nervig sein, gut, dass ich einen Einkaufszettel geschrieben habe. Nur dumm, wenn man den dann zuhause liegen lässt.

Hoffentlich wird die dritte Nacht etwas erholsamer, am nächsten Tag erwarten wir die ersten Besucher. Nicht für uns, wir sind ab sofort völlig uninteressant, aber ich muss ja für den Besuch von Piet noch einiges vorbereiten.

Piet ist nun eine Woche alt. Als mir das klar wurde, dachte ich mal kurz darüber nach, was ich in dieser ersten Woche Elterzeit getan habe. Mir fiel irgendwie nichts ein.

O.K., was habe ich denn in der letzten Woche alles NICHT gemacht, was ich sonst vorher gemacht hätte?

Ich war nicht beim Sport.
Ich war nicht beim Tanzen.
Die Küche habe ich nicht, wie geplant, umgeräumt.
Die Werkzeuge wurden von mir nicht in den Keller gebracht.
Ach ja, Keller, den habe ich nicht aufgeräumt.
Der kleine Koffer, mit den Sachen fürs Krankenhaus, ist immer noch im Wagen.
Das Büro wurde nicht aufgeräumt und sieht aus wie ein Schlachtfeld.
Ich habe nicht geschlafen, naja, zumindest nicht richtig.
Habe ich eigentlich was gegessen? Doch, muss ja.
Ich war nicht draußen, außer zum Einkaufen, und das auch nur einmal.
Ich habe nicht die Blumen gegossen, jetzt brauchen wir neue.

Ich höre mit der Liste besser auf. Wenn ich da so drauf schaue, wird mir klar, dass die Woche zu Hause nicht unbedingt "produktiv" gewesen ist. Was habe ich denn dann gemacht?

Die Antwort ist eigentlich einfach, ich habe mich Tag und Nacht um meinen Sohn gekümmert, dafür ist die Elternzeit ja eigentlich auch da. Irgendwie hatte ich mit das dennoch anders vorgstellt.

Als meine Frau und ich erkannt hatten, dass wir eine Woche lang nicht das Haus verlassen hatten, fassten wir einen Entschluss: Das Wetter ist so schön, jetzt gehen wir mit Piet an die frische Luft.
Später am Tag kamen uns Freunde besuchen und wir gingen die paar Meter zu Rheinstrand runter. Da war richtig was los, vorher sind mir die ganzen Kinder nie aufgefallen. Wir blieben einige Zeit im Schatten sitzen und schauten den Schiffen auf dem Rhein zu. Piet bekam so das erste Mal etwas Sonne ab, heute zeigte sich das Resultat.

Das kann ja wohl nicht wahr sein, der Piet ist jetzt schon brauner als ich. Muss das Gen vom Opa sein, dem braucht man auch nur "Sonne" sagen und schon geht in jedem mediteranem Land als Einheimischer durch.
Ich habe dieses Gen definitiv nicht in der Anwendung, da hat der Kleine ja mal richtig Glück gehabt.

Kaum war Piet auf der Welt, kam schon die Frage, oder besser die Aussage, meiner 94-jährigen Oma:

"Ich sehe meinen Urenkel doch wohl noch, bevor ich sterbe, oder? Ich verstehe ja, dass Ihr nicht in den ersten Tagen kommen könnt, aber zu Ostern wäre ja schon nett."

Ostern war genau acht Tage nach der Geburt, da weiss man, was Sache ist. Aber am Ostersonntag in ein Altenheim fahren? Nein, das kam nicht in Frage. So ein Kleinkind ist ein "Tüddel-Magnet", jeder will mal knuddeln. Das wollte ich weder meinem Sohn, noch meiner Frau, noch mir selbst zumuten.

Wir fanden einen Kompromiss. Wir fahren am ersten Tag nach den Feiertagen und treffen uns mit der Ur-Oma auf neutralem Gebiet im Garten. Dann haben wir unsere Ruhe und Oma hat Piet endlich mal gesehen.

Diese Autofahrt war die Erste seit der Fahrt aus dem Krankenhaus nach Hause. Piet sieht immer noch ein wenig verloren in dem Kindersitz aus, aber Autofahren ist an sich offenbar kein Problem, er hat friedlich geschlummert und wir kamen heile am Altenheim an.

Soweit, so gut. Der Plan ist leider nicht so ganz aufgegangen. Es waren reichlich Bewohner des Anwesens im Garten, und die kamen alle bei uns vorbei. Allerdings muss ich zugeben, dass meine stolze Omi ein wirklich netter Anblick war. Ich hätte doch noch Fähnchen mit der Aufschrift: "Das ist MEIN Ur-Enkel" drucken lassen sollen. Aber so war es auch gut, konnte sie den Satz doch immerhin mindestens ein Duzend mal an den Mann oder die Frau bringen, mit einem breitem Grinsen im Gesicht.

Leider hat die zweite Ur-Oma, im gleichen Alter, aber mit Demenz, nicht mehr verstanden, dass sie eine geworden ist. Schade.

Etwas später, als sich einige wenige der interessierten Passanten nicht zurückhalten konnten und Piet anfingen zu begrabbeln, wurde es meiner Frau zu viel und wir flüchteten.

In der zweiten Woche wurde uns klar, dass wir ein Babyphon brauchen, dringend. Im Moment schläft Piet noch bei uns im Bett. Zwar aus Sicherheitsgründen in seinem eigenem Reisebett, dies macht die Sache aber nicht besser. Zum einen wacht man bei jedem Pups sofort auf, zum anderen kommen meine Frau und ich uns so nicht gerade näher. Als hätte jemand eine Wand genau durch die Mitte unseres Bettes gezogen.

Also bin ich kurz entschlossen zu unserem Elektronik-Fachmarkt um die Ecke gefahren.
Leider war ich von der Auswahl im Markt nicht so beeindruckt, es gab drei Geräte zwischen 50 und 150 Euro. Hmm, mit so viel hatte ich nicht gerechnet, also habe mir nur aus der Grabbelkiste ein Computerspiel für nen Zehner mitgenommen, wenn ich schon nicht schlafen kann, kann ich ja wenigstens ein wenig zocken.

Meine Frau fand dann im Internet schnell heraus, dass die Preise vom Fachmarkt voll in Ordnung waren und diese Geräte wirklich so viel kosten wie mein Computermonitor. Nicht zu fassen. Aber sie fand auch ein Babyphon, welches wesentlich preiswerter war. Den ersten Test mit dem frisch gelieferten Babyphone starteten wir im Wohnzimmer und Büro. Ich spielte im Büro das neu erworbene Spiel und meine Frau versuchte im Wohnzimmer mitzuhören, wie ich Aliens töte. Das klappte schon mal nicht, obwohl das Büro nur 5 m und eine Tür vom Wohnzimmer entfernt ist. Das Babyphon ging nicht mal an, als ich mit dem Raketenwerfer einen Panzer in die Luft jagte.

Also gut, Schritt zwei. Versuch am lebenden Objekt. Wo ist Piet?

Schnell unseren Sohn in das Büro gestellt, Babyphon platziert und im Wohnzimmer Position bezogen.
Und tatsächlich, das Gerät schaltete sich, wie auf der Packung versprochen, "intelligent" an. Es klang allerdings wie ein Radiowecker ohne Sender bei voller Lautstärke, aber wirklich hören konnte man nichts.
Na gut, wir probieren es heute Nacht richtig aus. Also haben wir Piet zum ersten Mal in sein eigenes Bett gebracht und das Babyphon platziert. Um 1:00 Uhr sprang es an und wir aus dem Bett.

Allerdings nicht weil Piet geschrien hat, sondern weil es angefangen hatte zu regnen. Na toll. Kurze Zeit später hörten wir dann auch Piet schreien, jedoch durch die Tür und nicht durch das Babyphon. Das macht so nun wirklich keinen Sinn. Wir wollen das Babyphone ja haben, damit wir reagieren können, bevor die Sirene richtig losbrüllt. Wenn es erst einmal so weit ist, brauchen wir das Babyphone nicht mehr, dann hört es auch der Nachbar in absolut ausreichender Lautstärke. Also geht das Babyphone zurück und wir steigen in die 50 bis 100 Euro Preisklasse ein.

In der dritten Woche, natürlich am Freitag Abend, wurde uns klar, dass unsere Waschmaschine, mit eingebautem Kondenstrockner, den Geist aufgegeben hatte. Die war doch noch gar nicht so alt, oder?
Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, wie meine Mutter zu mir sagte:

"So, Kind, dies hier ist eine nigelnagelneue Waschmaschine. Die schenke ich dir zum Auszug und wage es ja nicht mit dreckiger Wäsche zu Besuch zu kommen."

Ich gehöre nicht zu den Männern, die erst mit 30 von zu Hause ausgezogen sind, ich bin 1999 von Mutti weg. Das heißt die Maschine hat doch schon mehr als zwölf Jahre auf dem Buckel. Naja, dann darf die auch mal kaputt gehen, aber ich war schon erschrocken, was solche Geräte aktuell neu kosten. Am Montag rufe ich mal besser den Servicetechniker an, hoffentlich kann man noch was retten.

Aber was machen wir jetzt? Piets Sachen müssen dringend gewaschen werden. Zu meiner Mutter durfte ich ja nicht. ;)

Es blieb ja nur die Schwiegermutti, die hatte ja ohnehin schon "so eine Sehnsucht nach Piet". Also, allen Krempel gepackt, und auf zu Christel. Meine Frau musste fahren, ich bin viel zu müde gewesen. Die Nacht zuvor war wieder sehr kurz, gefühlte zwei Stunden Schlaf vielleicht.

Wir verbrachten den Nachmittag bei meinen Schwiegereltern, die ich wirklich gerne habe. Ich empfinde es dort immer als sehr amüsant, denn meine Schwiegermutter bringt zwischendurch einfach bemerkenswerte Sätze hervor. Gerade letzte Woche kam der Satz am Telefon: "Piet ist das Schönste, was Ihr uns je geschenkt habt." Wie jetzt, geschenkt? Konnte mich gar nicht daran erinnern, den verschenkt zu haben. Ab sofort wird mein Sohn angekettet, die Diebstahlgefahr ist definitiv einfach zu hoch.

Kurze Zeit später wurde ich Zeuge eines weiteren, denkwürdigen, Satzes, als meine Frau und Christel gerade über Piets Künste sprachen, während des Windel-Wechsels in hohem Bogen um sich zu pinkeln.
Das dies vorkommen kann, wussten wir, aber immer? Wie dem auch sei, sie antwortete auf einmal, mehr zu Piet als zu uns gewandt, in einem super seuseligen Omi-Ton:

"Jaa, der Piet pinkelt schon ganz wie der Papa!"

Was? Ach ja, habe ich ja ganz vergessen, in letzter Zeit pinkle ich ja ständig auf der Straße im hohen Bogen andere Menschen an. Wenn Schwiegermütter Omis werden, kommt es wohl verstärkt zu verbalem Nonsens.
Was solls, sie ist überglücklich.

Als wir den Nachmittag geschafft hatten, mehr oder weniger ohne einzuschlafen, fuhren wir nach Hause. Meine Frau ging direkt hoch in unsere Wohnung, ich wollte mich noch eben um die Waschmaschine kümmern, die stand noch voll mit Wasser. Um das Wasser abzulassen, suchte ich nach einem Ventil, oder etwas ähnlichem und fand die Öffnung für das Flusensieb.

Oh, ein Schild, winzig klein in der Ecke. Auf diesem stand, sehr verblichen: "Alle fünf Wäschen das Sieb reinigen!" Hmm, ich konnte mich nicht erinnern, dies überhaupt schon einmal gemacht zu haben. Dann schauen wir doch mal. Siehe da, eine halbe Stunde später funktionierte die Mashine wieder und ich war 2,57 Euro, ein Pflaster, eine Parkmünze, einen Schlüssel, eine Wäscheklammer, einen BH-Bügel und einen USB-Stick reicher. Den Nachmittag hätten wir also auch sinnvoller verbringen können. Im Bett zum Beispiel.

An sich sind Paketlieferungen bei uns nichts ungewöhliches, denn wir bestellen fast alles im Internet. Unser Postbote bekommt bei uns mittlerweile Kaffee und Kuchen. O.K., keinen Kuchen, aber mit ein wenig Freundlichkeit bringt er auch die Sendungen in den dritten Stock. Vor ein paar Tagen kam ein unerwartetes, schweres Paket für Piet. "Hast du was bestellt?", fragte ich meine Frau, die schüttelte schuldbewusst den Kopf. Die Hebamme war gerade bei uns und klärte uns auf: "Dies ist ein Kinderstuhl, aber nicht irgendeiner, DER HIER ist das Original." Uns sagte das rein gar nichts, wir hatten den sicher nicht bestellt, Piet kann ja noch lange nicht sitzen. Wer schickt uns denn sowas edles?

Eine Karte war nicht dabei, also haben wir zuerst in der Verwandschaft rumtelefoniert. Ich tippte auf die Firma meiner Frau, aber sie hielt das für unwahrscheinlich, da der Hochstuhl recht hochpreisig ist. Eine Rückfrage über das Versandzentrum brachte Klarheit, es war tatsächlich ein Geschenk der Firma, unglaublich. Einige Tage später kam ein weiteres, unerwartetes Paket für Piet an, in diesem war aber eine nette Karte. Das macht die Detektiv-Arbeit überflüssig. Der Absender war diesmal mein Arbeitgeber. Es war ein Kuschelschaf. Nachdem Kimba, unsere Katze, die Produktsicherheit getestet hatte, wurde Piet mit dem Kuschel-Schaf bekannt gemacht. Er fühlte sich darauf sichtlich wohl. Ein super Geschenk, denn bisher musste er immer auf einem Ikea-Kissen liegen. Ich lege Piet, wenn ich am Rechner sitze, immer in eine Ecke. So hat er mich im Blick und ich ihn ebenfalls. Einen "Stubenwagen" wollte ich nicht haben, den fand ich irgenwie nicht sicher (und häßlich), wenn unsere 7 kg Katze da reinspringt, fällt der wahrscheinlich um. Kimba muss sehen können, was da drin liegt, sonst denkt sie, dass es für sie ist.

Die vierte Woche begann spanned: "Der macht das noch nicht bewusst, Babys begreifen erst nach gut drei Monaten, dass die Hände zu ihnen gehören und wie man diese dann benutzt." Diese Aussage stammt von unserer Hebamme, der ich natürlich auch glaube. Dennoch ist es erstaunlich, wenn man beobachtet, wie ein gerade vier Wochen altes Baby den Schnuller packt und zielsicher in einen 35 cm entfernten Kaffee-Becher wirft. In den letzten Tagen hat Piet begonnen, seine Michflasche festzuhalten, alleine. Wie erkläre ich dem jetzt, das er das noch gar nicht kann? Beim etwa vier Wochen alten Baby soll man beobachten können, wie es die Hand unwillkürlich zum Mund führt. Unser Sohn hat bereits direkt nach der Geburt begonnen, wenn er Hunger hat, seine Faust zu essen. Dies war so markant, dass wir schon dachten, wir hätten besser einen indianischen Namen gewählt: "Der seine Faust isst" oder so was in der Art wäre sicher passend gewesen.

Meine Mutter brachte es auf den Punkt: "Kinder sind immer einen Schritt weiter, als man denkt."

Am letzten Wochenende habe ich meiner Frau ein wenig Zeit für sich verschafft. Ich bin mit Piet zu einem Freund und seinen Kindern gefahren, um einen "Männervormittag" zu verbringen. Meine Frau fuhr derweil mit ihrem neuem Rad zum "Shopping bis Kopping" in die Stadt.

Die Fahrt mit dem Auto hat mein Sohn wie immer sehr genossen. Der gesamte Vormittag verlief sehr entspannt, später bemerkte ich, dass Piet was zu Essen wollte.
"Woher weisst du jetzt, dass er Hunger hat, er hat doch gar nicht geschrien?" frage mein bester Freund, der selbst auch erfahrener Vater von zwei Kindern ist.

"Er hat mir gerade in die Brust gebissen."

Gut, Piet bekommt von Anfang an die Flasche, alles andere war nicht umsetzbar. Das fand ich auch ganz gut so, denn auf diese Weise konnte ich mich direkt nach der Geburt auch um ihn kümmern. Seltsamerweise scheinen ihn einige Haare auf der Brust nicht abzuschrecken, wenn er älter ist, muss ich dringend mit ihm ein paar ernste Worte sprechen.

Gerade wollte ich die Flasche ansetzen, da sprang es mir ins Auge, ein Katzen-Haar. Wir kochen alle Flaschen ab und wir haben obendrein noch einen Sterilisator, auch Vapomat genannt. Es ist nicht zu fassen, was soll der ganze Aufwand, wenn es ein Kimba-Haar schafft, sich an der Flasche festzuhalten?
Gibt es keinen Vapomaten, der so was auch entfernen kann? Einen Vapomator für Männer? Eine Idee war geboren. Ich musste direkt an "Hör mal, wer da hämmert" denken.

Tim Taylor (Tim Allen) "verbessert" in der Serie regelmäßig typische Haushaltsgeräte, ein Turbo-Vaporisator mit optionalem Flammenwerfer wäre genau sein Ding gewesen, und meines im übrigen auch. Leider gibt es den bisher nicht, also wächst unser Sohn mit den Haaren auf. Vielleicht verhindert es ja auch die ein oder andere Allergie.

Dies waren die Ereignisse der ersten vier Wochen im Leben als Vollzeitvater. Ab sofort schreibe ich jeden Montag über die Vorkommnisse der Woche. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.

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Kommentare von Lesern:

 
Heli:
04.11.2011 19:25
Was ist denn mit der Firma Gtoys los wenn ich mal fragen darf!? Denn man bekommt ja als kunde keinerlei info!!!
Vollzeitvater, Neuss:
12.05.2011 14:06
Eigentlich sollte der Blog mit der ersten Woche starten, aber es hat etwas gedauert, bis alles eingerichtet war. Das waren also sozusagen vier Wochen auf einmal. Demnächst wird es kürzer. ;)

Meine Frau ist ja noch ein paar Wochen zu Hause (Mutterschutz), bis jetzt teilen wir die Arbeit also noch, ich bin selbst gespannt, wie das später wird, aber natürlich werde ich dazu schreiben.
stefan, basel:
12.05.2011 12:48
puhhh, so viel zu lesen! Na, das waren jetzt ja auch vier wochen, dann wird´s ja in zukunft kürzer... aber nett, dass du hier schreibst! ich finde auch grade interessant mal von einem vollzeitpapa zu lesen. schreib auch mal, wie es dir damit geht dass deine frau das geld ranschafft und du zuhause faulenzt ;-)
Klingone, Northeim:
11.05.2011 22:39
Schön, mal wieder einen Blog von einem frisch gebackenen Vater zu lesen. Aber was mich interessiert: Wie geht es Dir mit der Rollenaufteilung, dem Vollzeitvaterdasein? Klar, es ist eine Menge los und daher wenig Zeit zur Reflexion - aber genau dazu ist so ein Blog doch da!
Volker aus Kassel:
11.05.2011 19:02
Ein neuer Blog, wie schön! Hoffe du verlierst deinen Humor nicht als Vollzeitvater ;-) Hab den Beitrag gern gelesen, muss aber nicht immer so lang sein, oder?

Tagebuch Guido

Guido
Alter: 34
Wohnort: Neuss
Beruf: Vollzeitvater
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 15.04.2011
Letzter Eintrag: 25.06.2012

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