väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

22.05.2011 3. Woche
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Nachts um halb drei

Die Kommunion; Nachts um halb drei; die U3
Sonntag, 15.05.2011, Kommunion in Willich.

Natürlich geht es nicht um die Kommunion von Piet, der ist ja noch nicht mal getauft. Wir waren eingeladen zur Kommunion des Sohnes meines besten Freundes, das war der erste Ganztag-Ausflug mit Piet.

Es fing schon super an, kaum waren wir auf dem Parkplatz an der Kirche angekommen, merkten wir, dass etwas nicht stimmte. Die Fliegen prasselten nur so auf die Windschutzscheibe. Dann rochen wir es auch. Wir können noch nicht los, Piet hat ein Werk vollbracht, zuerst muss eine neue Windel her, an der Kirche hätte es sonst Ärger gegeben. So ein Fliegenschwarm macht sich nicht gut bei einer Prozession.

Also Kofferraum auf, und, haben wir eigentlich eine zweite Garnitur dabei? Der Body war doch vorher noch nicht gelb, oder? Gewickelt, umgezogen, eingepackt und auf zur Kirche marschiert. Kaum am Portal angekommen, bemerkten wir die Blicke. Oh nein, dies kann doch nicht war sein, der stinkt schon wieder, keine zehn Minuten waren vergangen. Ich habe dann die Stellung gehalten, meine Frau hat sich geopfert und ist zum Wagen zurück.

Ich reihte mich draußen in die Meute von Freizeit-Fotografen ein, dabei fiel ich richtig auf, denn ich hatte definitiv die kleinste Kamera. Eine Tüte länger als die Andere, dass macht ja auch Sinn, so auf drei Meter Entfernung. Ich befürchtete schon eine Schlägerei um die besten Plätze und verzog mich um die Ecke.

In der Kirche selbst war das Fotografieren nicht gestattet, die katholische Verwaltung stellte einen Fotografen, der das Exklusivrecht bekam. Zuerst habe ich mich gefragt, ob die mittlerweile auch wieder Ablassbriefe verkaufen, dann fiel mein Blick auf die Meute von potentiellen Kamera-Schlägern am Eingang und dachte, dass es wohl eine gute Idee gewesen ist, es so zu organisieren.

Das Ganze war dann schneller vorbei, als ich abdrücken konnte, deswegen gibt es vermutlich auch Kameras, die bis zu sieben Bilder in der Sekunde schießen können. Danach ging es dann zu meinem Freund nach Hause, wo ordentlich gefeiert wurde. Über dreißig Person plus eine gute Portion Kinder, da war richtig was los.

Interessanterweise machte mir die Feier wesentlich weniger aus als früher, als Vater entwickelt man wohl automatisch eine höhere Schmerzschwelle für Kinderlärm. Ist das mein Kind, das da so laut schreit? Nein? Prima, dann ist es mir egal.

Aber auch die ganze Verwandschaft auf der Feier war sehr angenehm. Wir kennen alle ja schon seit Jahren, aber daran lag es nicht. Das Interesse an unserem Sohn hielt sich dankenswerter Weise im Rahmen. Fünf- oder sechsfache Omas, sie wusste es selbst nicht so genau, sind viel entspannter, außerdem rannten überall Kinder rum und sorgten für Abwechslung.

Bei uns in der Familie sieht dies ganz anders aus, Piet ist der einzige kleine Mops weit und breit, dementsprechend sind alle total jeck, was sehr anstrengend sein kann.

Piet selbst zeigte sich mal wieder von seiner besten Seite, wie immer, wenn wir woanders sind.

Als wir wieder zu Hause waren, bekamen wir die Quittung. Zuerst ein Blick der eindeutig aussagte, "wo sind wir denn bitte heute den Tag über gewesen und wieso ist es jetzt hier so ruhig?" Dann begann die Nörgelei, wir hatten es befürchtet. Nach zwei Stunden Nörgel-Ritual ging es dann, er war endlich eingeschlafen, jetzt hätte ich gerne einen Liter Kaffee. War das ein anstrengender Tag, aber sicher auch für Piet.

18.05.2011, Nachts um halb drei

Wir haben die Fütterungszeiten ja untereinander aufgeteilt, vom "jede Stunde" Rhythmus sind wir inzwischen weg, zum Glück. Aktuell haben wir:

11:30 Uhr, 1. Schicht
02:30 Uhr, 2. Schicht
05:30 Uhr, 1. Schicht
07:30 Uhr, 2. Schicht

Bei den Schichten wechseln wir uns ab, denn die 02:30 Uhr Schicht ist härter als alle anderen. Letztens war ich mal wieder dran, nachts um halb drei. Eigentlich schläft man noch, da es aber eine Stunde dauert, bis Piet satt ist und Ruhe gibt, muss man sich ja irgenwie beschäftigen. Ich hatte es mit Hörspielen (???), Filmen und Hörbüchern versucht, es war mir aber alles zu anstrengend. Also nutze ich die Zeit zum Nachdenken, dies führt, um diese Uhrzeit, zu seltsamen Gedankengängen.

Beim letzten Mal überlegte ich mir, bei welchem Ereignis in meiner Jugend mich Männer beeindruckt haben. Besser gesagt, an welche Erlebnisse ich, in diesem Zusammenhang, sehr starke und positive Erinnerungen habe. Ich dachte mir, die Erinnerungen, welche einem als erstens einfallen und die am klarsten sind, müssten ja auch die sein, die am meisten Eindruck gemacht haben, im positiven oder negativen Sinne.

Ich stellte mir in Gedanken eine "Top-Ten" -Liste zusammen, eine Liste der besten Erinnerungen an Aktivitäten, bei denen mich Männer beindruckt haben, sei es, dass sie mir etwas erklärten, sich für mich Zeit nahmen, oder spannede Dinge mit mir machten.

Ich kam darauf im Rahmen der Diskussionen, um die Wichtigkeit von Vätern und männlichen Erziehern bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen.

"Fehlt der Vater oder wird er, mangels Engagement oder Präsenz, vermisst, dann entwickeln sich bei
dem Kind Enttäuschungsaggressionen, die an anderen Personen – Erzieherin oder LehrerIn, oft an
Geschwistern oder der Mutter - abreagiert werden. Der Vater wird wie ein unerreichbarer Superstar
überidealisiert, obwohl er in seinem alltäglichen Verhalten für das Kind fast bedeutungslos ist.
Fälschlicherweise wird diese kindliche Haltung von Außenstehenden oft als Ausdruck einer „guten“
Vaterbeziehung gehalten, anstatt als das was sie ist, ein Ausdruck des Mangels oder ein Wunsch
nach mehr." Aus: Infoblatt für Väter

Auch für mich war mein Vater ein "Superstar", obwohl, oder eben vielleicht weil, ich ihn bis zu meinem 12. Lebensjahr praktisch nie gesehen habe. Er war weg, bevor ich aufstand, er kam wieder, als ich Bett war und am Wochenende war er auf Messe oder Tennis spielen, weil er Zeit für sich brauchte. Ein für diese Vätergeneration nicht ganz unüblicher Tatbestand, da mache ich ihm sicher auch keinen Vorwurf draus, mein Stiefvater hat sich im übrigen absolut ganz genauso verhalten.

Nach der Scheidung meiner Eltern war ich dann jedes Wochenende bei ihm, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir dann etwas besonderes unternommen hätten. In meiner Liste kommt er aber dennoch vor, in den Klammern steht das ungefähre Alter, in dem ich gewesen bin:

Pilze, Beeren und Kräuter sammeln mit Onkel Herbert (6-10)

Ich könnte heute noch ein Pilzgericht sammeln, an dem man nicht stirbt, es hat mir immer unglaublichen Spaß gemacht mit ihm durch den Wald zu ziehen. Heidelbeeren (Blaubeeren) sammeln und daraus Pfannkuchen backen war auch ein echtes Highlight, selbst der Löwenzahnsalat als Beilage hat mir geschmeckt.

Angeln mit Onkel Herbert (6-10)

Er hat mir gezeigt, wie man Aale und Forellen fängt. Urlaub auf dem Campingplatz an der Sauer war das Größte für mich, interessanter Weise haben seine eigenen Kinder nicht so viel damit anfangen können. Man will vermutlich immer ganau das, was man gerade eben nicht hat.

Mein Opa schenkt mir das "Große farbige Tierlexikom von 1982" (6)

Ein tolles Buch, ich habe als Kind Stunden damit verbracht. Hoffentlich macht es Piet auch so viel Spaß wie mir, ich konnte meine Ausgabe erstaunlicherweise im Internet nicht finden.

Unser Nachbar Hermann-Josef zeigt mir im Urlaub auf Baltrum, wie man zeichnet. (13)

In diesem Urlaub war ich alleine mit den Nachbarn samt deren Kindern unterwegs, da konnte kein Urlaub im Robinson-Club mithalten. Leider war ich nicht besonders talentiert im Umgang mit dem Bleistift.

Hermann-Josef töpfert mit mir und erklärt mir dabei vieles, was dazu gehört (10-11)

Ich glaube, auch in diesem Fall, waren seine eigenen Kinder nicht so davon begeistert, aber mir hat es Spaß gemacht.

Uli, ein weiterer Nachbar, erklärt mir in seiner Werkstatt seine Erfindung und fährt mich anschließend mit
seinem 7er BMW nach Hause (11)

Es handelte sich um ein computergesteuertes Fließband, in Zeiten des C64 und Amiga 500 unheimlich spannend für mich, der Wagen hat mich damals auch beeindruckt.

Herr Schäfer, ein Verkäufer in der Firma meiner Eltern, erklärt mir, wie man erfolgreich Uhren an den Mann oder die Frau bringt. (12)

Mit zwölf Jahren habe ich zum ersten Mal in der Firma "mitgeholfen" und so mein Taschengeld aufgebessert.

Mein Onkel Uli erzählt mir, bei einer 1,5 Liter Flasche Weißwein, wie er seine erste Million gemacht hat. (18)

Zugegeben, nicht mehr ganz jugendlich, ab die Geschichten von Onkel Uli waren immer spannend und sind mir sehr gut im Gedächtnis geblieben, auch, als ich noch viel jünger war, da eben nur ohne Wein. ;)

Onkel Herbert zeigt mir, wie man am Lagerfeuer Flammerwerfer mit natürlichen Gasen erzeugt. (6-10)

Völliger Nonsens, aber ein Riesenspaß.

Mein Vater bringt mir Radfahren bei und schiebt mich bei der Gelegenheit mit Schmackes vor die Laterne. (5)
Wie sich diese Woche herausstellte, hat er das meiner Mutter nie erzählt. :)

Als ich mir die Liste so betrachtete, wurde mir klar, dass nicht unbedingt mein Vater mich wirklich beeindruckt und beinflusst hat, obwohl ich ihn nach außen immer als Supermann dargestellt habe.
Ich sollte den Menschen danken, die seinen Job, zumindest bis zu einem gewissen Alter, teilweise für ihn gemacht haben.

Leider ist Onkel Herbert, mein Patenonkel, seit vier Jahren verstorben, da bin ich zu spät dran. Erst jetzt habe ich wirklich um ihn getrauert, ich musste wohl erst selbst Vater werden, um zu kapieren, was er für ein toller Mensch und Mann gewesen ist.

Auch unser Nachbar Uli und mein Onkel Uli (eigentlich der Mann der Tochter der Cousine meiner Oma, in Ermangelung eines echtes Onkels war er eben Onkel Uli) sind bereits lange tot.

Aber Hermann-Josef ist noch da und dies hoffentlich noch sehr lange, sobald er aus dem Urlaub zurück ist, muss ich den unbedingt mal anrufen. ;)

Ich hoffe, wenn mein Sohn mit 35 Jahren so eine Liste aufstellt, komme ich häufiger darauf vor, aber vielleicht hat es ja auch was gutes, wenn verschiedene Männer Einfluss auf die Erziehung nehmen.

Ob die Kinder von Baer Grylls wohl gerne Zelten gehen?

19.05.2011 Die U3

Der U3 Untersuchungstermin war kurz und für Piet weitgehend schmerzlos.

Ein super netter Arzt, er war eine Empfehlung unserer Hebamme, da wir vor Ort erstaunlicherweise keinen Kinderarzt haben.

Mit dem Auto sind es 8 km von Grimmlinghausen nach Reuschenberg, mit dem Fahrrad sind es keine 5 km, also noch in absolut akzeptabler Entfernung von uns weg. Als wir ankamen, wollte die "ärztliche Fachangestellte", so stand es auf ihrem Schild, die Versicherungskarte unseres Sohnes sehen. Blöd nur, die haben wir noch nicht, mit der Steuernummer von Piet konnte sie leider nichts anfangen, aber immerhin haben wir die schon mal. ;)

Als wir so im Wartezimmer saßen, hörten wir unglaubliche Schreie und Gebrüll aus dem Nebenraum. Uns wurde ganz anders, hier werden offensichtlich Kinder geschlachtet oder zumindest grob mißhandelt. Als wir den Arzt darauf ansprachen sagte er schlicht: "Die kleine Dame hatte sehr viel Temperament, so viel haben wir hier sehr selten."

Das war aber eine sehr politische Formulierung für "kleine Super-Terror-Göre". :)

Piet war wie immer sehr tapfer, pieselte den Arzt aus Dankbarkeit nett an und pupste anschließend, dass die Wände wackelten. Das Ergebnis der Untersuchung ergab, dass er kerngesund ist und vorbildliche Hüftknochen hat. Schön.

Das war die Highlights der letzten Woche, meine Erzählwoche beginnt übrigens immer am Sonntag. Nächste Woche schreibe ich, wie gewünscht, etwas mehr über unser Leben zu Hause.

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Kommentare von Lesern:

 
Vollzeitvater:
01.06.2011 09:01
Naja, ich hatte ja auch viel Zeit zum Nachdenken. ;)

Aber ich bin mir sicher, dass sich deine Kinder an mehr erinnern werden und ich denke schon, dass es ein Zeichen dafür sein wird, dass du dich mehr mit ihnen beschäftigt hast. Aber das ist ja nicht automatisch, wie ich selbst auch geschrieben habe, dir Definition eines guten Vaters, auch wenn ich denke, dass es eine Rolle spielt. Vermutlich werde ich in ca. 15 Jahren eines besseren belehrt. :)
Gerd, Norddeutschland:
27.05.2011 20:04
10 Dinge, die ich mit Männern gemacht habe, und die mich beeindruckt haben?
Puh, das werden bei mir höchstens 3 oder 4. Und mein Vater taucht darin überhaupt nicht auf.

Aber: heißt das, dass er ein schlechter Vater war? Oder dass ich ein schlechtes Gedächtnis habe?

Ich meine, wenn meine Tochter und mein Sohn groß sind: werden sie sich dann noch daran erinneren, wie viele Stunden ich sie in den Schlaf gewiegt habe, wie oft ich ihre Lieblingsbücher vorgelesen habe oder ihnen etwas erklärt habe oder sie ....... Und werde ich sie jemals so beeindrucken, dass sie sich wirklich daran erinnern?

Tagebuch Guido

Guido
Alter: 34
Wohnort: Neuss
Beruf: Vollzeitvater
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 15.04.2011
Letzter Eintrag: 25.06.2012

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