väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

11.03.2012 40. Woche
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Wenn Sozialpädagogen wickeln...

Notdienstpraxis, das muss er durch; Disriminierung in der Ausbildung zum Tagesvater, wenn Männer keine Lobby haben; 20 Minuten, wie Sozialpädagogen das Wickeln erklären
Notdienstpraxis

Da unser Kinderarzt diese Woche Urlaub genommen hat und seine Praxis geschlossen bleibt, Piet aber immer noch Brechdurchfall hat, sind wir heute Morgen dann doch mal in die Notdienstpraxis des Lukas-Krankenhauses gefahren. Genauer gesagt zum "PaedNetz", einem Teil der Kinderklinik. Piet wurde in diesem Krankenhaus geboren, daher sprechen Kaufleute in einem solchen Fall von einer "Mängelrüge". Es kann ja nicht angehen, dass Piet in der Gewährleistungszeit undicht wird. :)

Es war dort reger Betrieb und wenn das Kind vorher noch nicht wirklich krank gewesen ist, danach ist es das auf jeden Fall. Vor uns Scharlach, hinter uns Röteln und nebendran kleine Schniefnasen mit großen, roten Augen. Da kann man schon Mitleid bekommen. Nach kurzer Wartezeit waren wir schon dran, der Arzt warf einen Blick auf Piet und sagte kurz heraus: "Da muss der durch."

Ergänzend fügte er hinzu: "Ich könnte ihnen was aufschreiben, aber das hilft alles nicht."

O.K., nach wenigen Minuten saßen wir wieder im Auto, genauso schlau wie vorher. Irgendwie ist das immer so, wenn wir mit Piet zum Kinderarzt fahren. Also haben wir auf Hausmittel zurückgegriffen, im Drogeriemarkt Elektrolyt-Pulver und Traubenzucker gekauft und unseren Sohn so mit reichlich Flüssigkeit versorgt.
Immerhin geht es ihm heute zum ersten Mal wieder etwas besser.


Diskriminierung in der Ausbildung zum Tagesvater

Ja, ich gebe zu, der Titel ist vielleicht ein wenig reißerisch, aber was solls. :)

An die Alltags-Diskriminierung, vorzugsweise von älteren Damen, in der Art: "Oh, hat Sie die Mutti heute alleine einkaufen geschickt?" habe ich mich inzwischen längst gewöhnt. Das macht mir wirklich gar nichts mehr aus. Wenn es allerdings um offizielle Verlautbarungen geht, zum Beispiel von Politikern, dann sehe ich das Ganze völlig anders. Das ärgert mich, sogar ziemlich. Überall wird so getan, als wenn Männer und Frauen in der Kindererziehung gleichberechtigt sind. Leider stelle ich immer wieder fest, dass dies nur Theorie ist und nicht mal auf dem Papier steht.

Frauen haben für die Gleichberichtigung vor dem Gesetz und im Beruf lange gekämpft. Wenn aber heute eine Frau in ihrem Beruf derartige Missstände feststellen würde, wie ich gestern mich betreffend, dann würde eine bekannte Frauenzeitschrift Sturm laufen und Köpfe fordern. Männer in "Frauenberufen" haben aber keine Lobby, ganz im Gegenteil.

Gestern ging es in die zweite Runde meiner Ausbildung zum Tagesvater (Kindertagespflegeperson). Im zweiten Teil geht es dabei verstärkt um Pädagogik, unser Thema war "Bindung, ein wichtiges Konzept für die Kindertagespflege", das Unterrichtsmaterial stammte aus dem DJI-Curriculum "Qualifizierung in der Kindertagespflege", Kallmeyer 2008, 2. Auflage.

Als ich den Text las, fiel mir anhand der Formulierungen beinahe die Kinnlade auf den Tisch. Hier ein paar Beispiele:

-Am Lebensbeginn entsteht zwischen Kind und Mutter eine sehr enge Beziehung[...]

Der Vater ist offenbar nicht eingeplant.

-[...]es bindet sich nicht nur an die Mutter, die es nährt[...]

Flaschenkinder sind offenbar unerwünscht und nicht vorgesehen, meine Frau hat sich über diesen Satz zu recht geärgert.

Das Baby[...] hört sofort auf (zu weinen), sobald die Mutter es aufnimmt.

Väter können das offenbar nicht.

- Das Baby lächelt in der Interaktion mit der Mutter mehr [...] als im Kontakt mit anderen Personen.

Mit dem Vater funktioniert das wohl nicht.

- [...]seine Blickrichtung [...] in Richtung der Mutter orientiert.

Mal wieder ohne Vater.

Das waren nur Beispiele von der ersten Seite, der Rest ist nicht besser. Des weiteren steht im Text ausnahmslos nur "Tagesmutter", warum nimmt man nicht den geschlechtsneutralen Ausdruck. Es gibt ja schließlich einen. Da wundert es mich nicht, dass nicht mehr Männer in der Kindererziehung tätig sind. Wer soll sich denn bei diesen Formulierungen angesprochen fühlen? Ich war regelrecht entsetzt über die Wortwahl, meine Frau im übrigen auch. Wenn der Text aus den 70er Jahren stammen würde, hätte ich es verstanden, aber aus 2008? So lange ist das noch nicht her. Ich finde hier sollte das Deutsche-Jugend-Institut, von dem dieses Unterrichtsmaterial stammt, ganz dringend nachbessern.


20 Minuten

Bisher ist im Bereich "Tagesvater" auf meiner privaten Homepage (Link oben), in der Rubrik "Pädagogisches Konzept", noch nicht viel Inhalt zu finden. Das hat einen guten Grund, denn die pädagogische Ausbildung startet erst im Modul 2 meiner Ausbildung zur Kindertagespflegeperson. Der erste Abend für den zweiten Teil fand diese Woche Montag statt, am anderen Ende von Neuss.

Es ist eine komplett neue Gruppe, alle haben den Teil 1 bereits abgeschlossen, das heißt alle Teilnehmer haben bereits die Berechtigung eine Pflegeerlaubnis zu beantragen. Wie im ersten Kurs, habe ich auch diesmal auf Anhieb nur wenige der anwesenden Tagesmütter für meinen eigenen Sohn als passend eingestuft. Irgendwie erschreckend. Ich bin übrigens wieder der einzige Mann in der Forbildung. Aber kommen wir zum eigentlichen Thema.

Unsere Dozentin fragte in die Runde, wie lange wir uns für einen durchschnittlichen "Wickelvorgang" Zeit nehmen würden, bzw. sollten. Ich beantwortete diese Frage mit: "2-3 Minuten, wenn ich es drauf anlege, schaffe ich es auch deutlich unter einer Minute, genauer gesagt in 38 Sekunden." "Sie haben die Zeit gestoppt?" Kam entrüstet das Kommentar von links. "Ja, sagte ich, klar, ich bin ein Mann." Das war eigentlich ein Witz, fand aber irgendwie gar keiner lustig. Die Dozentin sah mich mitleidig an und sammelte weitere Zeitangaben ein. Als sie jedoch sagte: "Ein durchschnittlicher Wickelvorgang sollte 20 Minuten dauern", muss in meinem Gesicht das blanke Entsetzen gestanden haben.

"Das können Sie nicht ernst meinen!?!" war meine prompte Reaktion. 20 Minuten je Windel? Da bin ich ja drei Stunden am Tag nur am Wickeln. Doch, es war ihr ernst. Um dies zu untermauern, führte sie beispielhaft einen optimalen Wickelvorgang vor und zeigte uns anschließend ein Lehrvideo über die Pickler-Wickeltechnik. Nachdem wir den Lehrfilm beendet hatten, fragte sie in die Runde, wer nun von dieser Methode überzeugt ist. Die Antwort fiel 10:1 aus, zehn Frauen sagten "JA", der einzige Mann (also ich) sagte vehement "NEIN!"

Habe ich oben geschrieben, dass ich nicht vielen in der Gruppe mein eigenes Kind anvertrauen würde? Diese Zahl hat sich inzwischen auf Null reduziert.

Die Begründung für einen zwanzigminütigen Wickelvorgang, wurde mit der optimalen Entwicklung der "Bindung" zum Pflegekind gerechtfertigt. Sorry, Leute, diese Wickeltechnik wurde für KINDERHEIME entwickelt. In Kinderheimen ist es, wie auch in Pflegeheimen für Senioren, üblich, dass das Personal nur die eigentliche und sehr kurze Pflegezeit zur Verfügung hat, um Aufmerksamkeit für den betreuten Menschen aufzubringen. Ich halte es für totalen Quatsch dies auch zu Hause anzuwenden. Mein Sohn hat 12 Stunden am Tag meine volle Aufmerksamkeit, mindestens. Ihm macht das Wickeln keinen besonders großen Spaß, mir auch nicht, je schneller das vorbei ist, desto besser. Dann kann er wieder Dinge machen, die ihm besser gefallen. Auch ein Tageskind bekommt mehrere Stunden Aufmerksamkeit von mir, da ist das sicher auch nicht nötig. Erschwerend kommt hinzu, dass ich als Mann sicher keine 20 Minuten ein Kind wickle, ohne dafür seltsam angesehen zu werden. Ich würde mich jedenfalls ernsthaft fragen, was der Typ da eigentlich macht. Bisher bin ich von dem pädagogischen Ansatz überhaupt nicht überzeugt, mal sehen, ob das noch besser wird.

Was nun mein pädagogisches Konzept angeht, so schreibe ich demnächst einfach rein, was ich NICHT machen werde, ist vermutlich einfacher. :)

Ein Freund von mir erdachte dazu passend folgenden, kleinen Witz:

Treffen sich zwei Sozialpädagoginnen, sagt die eine:

“Ich habe meinen Sohn die letzten zwei Jahre ausschließlich nach der Pickler-Methode gewickelt und heute hat er seinen ersten, zusammenhängenden Satz gesagt!”

“Und?” fragt die Andere, “Was war es denn?”

“Halt die Klappe Alte und wehe du riechst wieder an meinen Füßen!”

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Kommentare von Lesern:

 
Meike, Kassel:
16.03.2012 18:48
In dem Pickler-Heim darf aber auch nicht gerade Personalmangel herrschen, wenn da jedes Kind 20 Minuten gewickelt wird.
Guido, Vollzeitvater:
14.03.2012 20:05
Gerd, ich habe das DJI breits vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht, aber bisher noch keine Reaktion darauf bemerkt. Ja, die Texte verstoßen EINDEUTIG gegen das Gleichstellungsgesetz, deswegen hat es mich ja auch so geärgert.
Gerd, Norddeutschland:
13.03.2012 15:37
Mein tiefstes Beileid. Wer so einen Vorgang mehr als nötig ausdehnt, hat einen an der Waffel. Weiber halt.....

Das mit den nicht geschlechtsneutralen Texten sollte Dir eine Beschwerde wert sein. Gibt doch auch das Antidiskriminierungsgesetz, oder?
Linda Hamburg:
12.03.2012 10:07
Haha selten so gelacht;))))) 20 min zum Wickel...ich Brauch keine min.!!! Ich hab drei Kinder und keins ist seelisch verarmt weil ich es nicht 20 min gewickelt hab!! Wie du schon geschrieben hast ist das Konzept für heimkinder.....zum todlachen....

Tagebuch Guido

Guido
Alter: 34
Wohnort: Neuss
Beruf: Vollzeitvater
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 15.04.2011
Letzter Eintrag: 25.06.2012

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