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02.04.2012 43. Woche
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Helikopter-Papa

Helikopter-Papa? Wenn Eltern um ihre Kinder kreisen; Kommentar zum offenen Brief an Sigmar Gabriel, es hilft nur mehr Verständnis auf beiden Seiten
Helikopter-Papa?

Als ich heute auf sueddeutsche.de in einem Artikel den Begriff "Helikopter-Eltern" las, dachte ich zuerst an etwas ganz anderes, als die offenbar richtige Definition. Als ehemaliger Produktmanager für ferngesteuerte
Hubschrauber wäre die Bezeichnung "Helikopter-Papa" ja durchaus passend gewesen. :) Mit Helikopter-
Eltern (Helicopter-Parents) ist aber etwas völlig anderes gemeint, etwas, das ich hoffentlich nie machen werde:

"Der Begriff Helikopter-Eltern stammt aus den USA und steht für besonders übervorsichtige Mütter und Väter, die ihre Kinder am liebsten rund um die Uhr bewachen und kontrollieren würden, ihnen nichts mehr zutrauen und aus Sorge um das kindliche Wohlergehen nur noch um den Nachwuchs kreisen - ähnlich wie ein Polizeihelikopter im Film über mutmaßlichen Verdächtigen. Helikopter-Eltern organisieren den kompletten Alltag der Kinder im Glauben, sie auf diese Weise am besten zu fördern." t-online.de

Wenn ich mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehe, nehme ich immer ein Buch mit. Piet meldet sich schon, wer er Wert auf meine direkte Anwesenheit legt. Auch tagsüber in der Wohnung wird er nur von mir bespaßt, wenn er darum bittet. Bei Gelegenheiten, wenn Piet auf andere Eltern trifft, sind immer alle total überrascht, wie erkundungsfreudig er ist und wie gut er sich alleine beschäftigen kann. Dafür braucht er auch kein spezielles Spielzeug, er ist durchaus schon kreativ. Piet ist extrem neugierig und untersucht zurzeit wirklich alles, ja alles, ganz genau. Mein Vorgehen verstößt vielleicht für einige indirekt gegen den pädagogischen Auftrag zur Förderung der Kinder, der für Kindertagespflegepersonen (Tagesvater) sehr wichtig und verpflichtend ist. Die Frage ist aber eben, wie fördere ich Kinder am besten?

"Der Druck zu fördern hat längst die Kleinkindpädagogik erreicht. Die aktuellen Orientierungs- oder Bildungspläne für Kindertagesstätten werden es Erziehern erschweren, freies und ungestörtes Spiel einzuräumen." t-online.de

Ich bin Verfechter des kalkulierten Risikos und des freien Spiels. Freies Spiel fördert die Kreativität. Kinder müssen probieren dürfen und können, nur wenn es wirklich bedenklich wird, stehe ich an ihrer Seite, oder verhindere Schlimmeres. Die Vorstellung, jeden Schritt meines Sohnes zu überwachen, ihn nie aus den Augen zu lassen, finde ich nicht erstrebenswert. Oft beobachte ich ihn, ohne, dass er es merkt. Wenn er die Treppe hochkrabbeln will, darf er das, dabei stehe ich dann aber tatsächlich hinter ihm, wenn es aber nur vier Stufen sind, kann er das auch alleine probieren. Natürlich ist er dabei in meinem Blick, ich darf aber ruhig einige Meter weg sein. So bekommt er Selbstvertrauen und lernt seine Fähigkeiten gut einzuschätzen.

Freies Spiel braucht Muße und auch mal Langeweile, aber eben keinen Lehrplan.

Tipp: Genau damit befasst sich das Buch von Michael Winterhoff: Lasst Kinder wieder Kinder sein! Oder: Die Rückkehr zu Intuition


Kommentar zum offenen Brief an Sigmar Gabriel (SPD)

In diesem offenen Brief wenden sich einige Frauen aus der Politik an Sigmar Gabriel (SPD) und stellen Fragen zu seinem Verständnis der Vater-Rolle, da er offenbar selber bald Papa wird. Da unter den Politikerinnen auch Julia Schramm von der Piratenpartei ist, konnte ich mir ein Kommentar nicht verkneifen. Der Brief und die darin enthaltenen Fragen sind natürlich provokant, klar, sonst hätte man ihn auch gleich lassen können.

Herr Gabriel wird aufgefordert, ein Vorbild zu sein und in Elternzeit zu gehen, damit er sich um das Kind kümmern kann. Die Sache hat bloß einen Haken, selbst wenn er das wollte, er darf es gar nicht. Bundestagsabgeordnete und Minister haben keinen Anspruch auf Elternzeit. O.K., ignorieren wir dies mal, denn ich glaube nicht, dass jemand wirklich von ihm erwartet, eine Auszeit zu nehmen. Vielmehr sollte mit dem Brief eine Diskussion angeregt werden, und genau das hat auf jeden Fall geklappt: Alle großen Zeitungen haben Kommentare zu dem Thema verfasst.

Der Hintergrund ist einfach, wenn Frauen in politischen Ämtern Kinder bekommen, werden sie mit genau dieser Art Fragen konfrontiert. Schnell fällt der Begriff "Rabenmutter", einen Ausdruck, den es übrigens nur in Deutschland gibt. Dafür sollten wir uns schon mal grundsätzlich schämen, vor allem die, die ihn verwenden. Herr Gabriel hat sich bisher nicht gerade umfassend zu dem Brief geäußert und die Kindererziehung seine Privatsache genannt. Das kann ich verstehen, finde es aber sehr schade. Ich bin in Elternzeit gegangen, weil meine Frau mehr Geld verdient als ich, nicht, weil es mein Lebenstraum war, Vollzeitvater zu werden. Natürlich will ich meine Aufgabe nun so gut machen, wie es eben geht. Das macht auch Spaß, dient aber in erster Linie dazu, meine Frau zu unterstützen.

Ich vermute, dass Herr Gabriel besser verdient, als seine Frau, daher wäre es für mich unlogisch, wenn er auf einmal zu Hause bleiben würde. Aber darum geht es eigentlich auch nicht, sondern um die Tatsache, dass öffentlich in der Kindererziehung beide Partner gleichberechtigt sind, die Realität aber eben anders aussieht.

Das gillt allerdings für beide Seiten, denn Männer, die tatsächlich die Aufgabe des Hausmannes übernehmen, werden mit ganz ähnlichen, dummen Fragen (von Frauen) konfrontiert. Hier mal meine persönlichen top drei:

- Stillen sie ihr Kind auch? Stillen ist das Beste für ihr Kind!
- Machen sie daheim auch den Haushalt? Wäsche machen, Putzen und so?
- Können sie mit Kindern umgehen? Haben sie darin Erfahrung?

Diese Seite, die Seite der Männer in einer Frauendomäne, ist kaum bekannt. Die Fragen beweisen aber, dass Frauen kein Stück besser sind als Männer, wenn es um "ihren" Bereich geht. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, fragt man diese vermutlich auch nicht, ob sie mit Kindern umgehen kann, oder sie den Haushalt erledigt. Mir sagt man aber in der Krabbelgruppe, dass ich bitte nicht auf die Kinder treten soll. Wenn es in diesem Thema Fortschritte geben soll, helfen keine Regelungen und Gesetze, sondern nur mehr Verständnis auf beiden Seiten.


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Kommentare von Lesern:

 
Gerd, Norddeutschland:
05.04.2012 19:26
Ich finde die Forderung an Sigmar Gabriel gar nicht schlecht. Gerade Promis sollten zeigen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, auch mal eine Zeitlang bei den Kindern zu bleiben. Nimmt dem ein oder anderen Politiker vielleicht auch die Illusion, dass man auf ihn nicht verzichten könne.
Hier in MV hat übrigens ein Abgeordneter Elternzeit gemacht, auch wenn das eigentlich nicht geht. Er hat einfach nur noch die allernötigsten Termine wahrgenommen und alles über 1.800 Euro Diäten gespendet. Er ist übrigens inzwischen Minister.

Zu den Vorbehalten von Frauen gegenüber Männern: Mich persönlich nerven die Frauen am meisten, die es dem eigenen Mann nicht zutrauen, zu Hause zu bleiben. So nach dem Motto: das mit dem Kind schafft er vielleicht gerade noch so (ich als Mutter kann das natürlich viel besser), aber der Haushalt ist natürlich zu viel für ihn.

Zu Deiner "Überwachungstrategie": Mein (aus anderen Gründen sehr schlechter) Vater hat mir eine wichtige Sache beigebracht: Wenn ein Kind sich selbst beschäftigt, dann lass es einfach in Ruhe...

Tagebuch Guido

Guido
Alter: 34
Wohnort: Neuss
Beruf: Vollzeitvater
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 15.04.2011
Letzter Eintrag: 25.06.2012

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